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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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bis er sie schließlich wütend gegen die Wand warf. Am nächsten Morgen bat er den Seneschall um eine Audienz beim König. Bei seiner Majestät vorgelassen, sprach er folgende Worte:
    »Königliche Hoheit und Allergnädigster Herrscher! Die den Liebeszauber aufhebenden Systeme, die ich bei Eurem Sohn anwendete, sind die stärksten, die es im Universum gibt. Lebendig wird sich der Thronfolger nicht entzaubern lassen, das ist die Wahrheit, die ich Euer Majestät schuldig bin.«
    Der König schwieg, niedergeschlagen durch diese Nachricht, Trurl aber fuhr fort:
    »Selbstverständlich könnte ich ihn hinters Licht führen, indem ich einfach aus den mir zugänglichen Parametern eine Amarynda synthetisiere, doch früher oder später würde er mir auf die Schliche kommen, wenn ihm nämlich Nachrichten über das Schicksal der echten Amarynda zu Ohren kämen. Daher bleibt nur ein einziger Ausweg: Der Prinz muß die Tochter des Kaisers heiraten!«
    »Wo denkt Ihr hin, Fremder?! Eben da liegt doch der Hase im Pfeffer, daß sie der Kaiser meinem Sohn niemals geben wird!«
    »Und wenn er besiegt wäre? Wenn er um Frieden bitten und um Gnade flehen müßte?«
    »Nun, dann ganz gewiß, aber willst du wirklich, daß ich zwei große Reiche in einen blutigen Krieg stürze, noch dazu mit ungewissem Ausgang, nur um für meinen Sohn die Hand der Kaisertochter zu gewinnen? Nein, das kann nicht sein.«
    »Ich habe von Eurer Königlichen Majestät keine andere Entscheidung erwartet«, sagte Trurl gleichmütig. »Es gibt jedoch Kriege und Kriege, und der, den ich im Sinne habe, wird gänzlich ohne Blutvergießen abgehen. Wir werden das Reich des Kaisers nämlich nicht mit Waffengewalt angreifen. Auch werden wir keinem einzigen seiner Untertanen das Leben nehmen, sondern ganz im Gegenteil!«
    »Was soll das heißen? Was meinen Euer Liebden?« rief der König erstaunt.
    Als Trurl dem König seinen geheimen Plan ins Ohr flüsterte, da hellte sich die düstere Miene des Monarchen zusehends auf und er sagte:
    »So gehe hin, Fremdling, und führe aus, was du ersonnen hast, und mögen dir die Himmel dabei gnädig sein!«
    Gleich am nächsten Morgen machten sich die Königlichen Eisengießereien und Werkstätten gemäß Trurls Plänen an die Konstruktion einer großen Zahl überaus mächtiger Kanonen, deren Verwendungszweck gänzlich unbekannt war. Sie wurden auf dem ganzen Planeten verteilt und als Verteidigungsanlagen getarnt, so daß niemand mißtrauisch wurde. In der Zwischenzeit saß Trurl Tag und Nacht im Königlichen Laboratorium für Kybergenetik und überwachte geheimnisvolle Kessel, in denen ein mysteriöses Gebräu von Präparaten zischte und brodelte. Ein Spion an Ort und Stelle hätte nicht mehr entdecken können, als daß hinter den mit vier Eisenriegeln versperrten Türen zu den Laborräumen hin und wieder ein vielstimmiges Weinen und Wimmern zu hören war, und daß Assistenten und Doktoranden mit Stapeln von Windeln im Arm hektisch hin und herliefen.
    Das Bombardement begann eine Woche später, um Mitternacht. Von erfahrenen Soldaten geladen und ausgerichtet, zielten die Kanonen alle auf den weißen Planeten das Kaiserreichs – dann feuerten sie, doch aus ihren Rohren zischten keine todbringenden, sondern lebenspendende Geschosse. Denn Trurl hatte die Kanonen mit neugeborenen Babys geladen, die nun in greinenden und sabbernden Myriaden auf den Feind herniederregneten, rasch heranwuchsen, über Stock und Stein krabbelten und überall ihre feuchten und klebrigen Spuren hinterließen; es waren so viele, daß die Luft unter ihrem ohrenbetäubenden »mama«, »dada«, »bäbä« und »didi« erzitterte und Trommelfelle reihenweise platzten. Die Babyflut hielt an, bis der Wirtschaft des Kaiserreichs der Kollaps drohte, und den Untertanen die Furcht vor der nahen Katastrophe im Gesicht geschrieben stand; und immer noch fielen vergnügt kichernd und mit flatternden Windeln pausbäckige Knirpse, Püppchen, Tolpatsche und Wichte vom Himmel. Der Kaiser war gezwungen, bei König Protuberon um Gnade zu bitten, und dieser versprach, den Feindseligkeiten unter der Bedingung ein Ende zu bereiten, daß seinem Sohn die Hand Amaryndas nicht länger verweigert werde, wozu sich der Kaiser schleunigst bereitfand. Daraufhin wurden die Baby-Kanonen alle sorgfältigst vernagelt, das Femmefatalotron aber demontierte Trurl, um jedes Risiko zu vermeiden, eigenhändig. Später als Trauzeuge bei der rauschenden Hochzeitsfeier dirigierte er im

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