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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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setzte sich der Thronrat aus den vortrefflichsten Lösern von Kreuzwort- und Rebusrätseln im ganzen Reich zusammen, und kein Minister tat einen Schritt ohne seine Enzyklopädie unter dem Arm. Die Höflinge brachten es bald zu solcher Meisterschaft, daß sie die richtige Antwort gaben, bevor der König zu Ende gesprochen hatte, und das war nicht weiter erstaunlich, wenn man berücksichtigte, daß sie samt und sonders eifrige Abonnenten des »Gesetzblatts« waren, das jetzt anstelle langweiliger Verordnungen und Verwaltungsdekrete vorwiegend Scharaden, Logogriphen und Bilderrätsel enthielt.
    Im Laufe der Jahre gelüstete es den König jedoch immer weniger danach, sich den Kopf zu zerbrechen, daher wandte er sich wieder seiner ersten und größten Liebe zu, dem Versteckspiel. Und eines schönen Abends, als er schon leicht beschwipst war, setzte er eine ungewöhnlich hohe Belohnung für denjenigen aus, dem es gelänge, das beste Versteck auf der ganzen Welt auszutüfteln. Die Belohnung bestand aus einem Kleinod von schier unschätzbarem Wert, dem Krondiadem der Kymbroniden-Dynastie, deren edler Sproß Balerion selbst war. Seit Jahrhunderten hatte niemand auch nur einen einzigen Blick auf dieses Wunderwerk werfen dürfen, denn es lag wohlverborgen hinter sieben Schlössern und sieben Riegeln in der Königlichen Schatzkammer.
    Wie es der Zufall wollte, weilten Trurl und Klapauzius anläßlich einer ihrer kosmischen Reisen gerade in Kymbronien. Die Kunde von dem märchenhaften Preis, den der König ausgesetzt hatte, verbreitete sich rasch durch das ganze Land und gelangte so auch zu den beiden Konstrukteuren; sie hörten davon in dem Gasthof, in dem sie abgestiegen waren. Gleich am nächsten Morgen begaben sie sich zum Palast, um kundzutun, daß sie ein Versteck wüßten, dem kein anderes gleichkomme. Es gab jedoch so viele andere Prätendenten auf den Preis, daß es unmöglich war, sich durch die vor dem Tor versammelte Menge zu drängen. Daher kehrten die beiden Freunde in ihre Herberge zurück und beschlossen, ihr Glück am folgenden Tag erneut zu versuchen. Man sollte dem Glück jedoch ein wenig auf die Sprünge helfen, diese Weisheit beherzigten die beiden Konstrukteure sehr wohl: Jeder Wache, die sie aufhalten wollte und jedem Höfling, der sich ihnen in den Weg stellte, drückte Trurl nun eine Goldmünze in die Hand, und wenn dies nicht den gewünschten Effekt hatte, dann ließ er rasch eine zweite, schwerere folgen, und so gelangten sie in weniger als fünf Minuten vor das Angesicht Seiner Majestät. Der König war hocherfreut, als er hörte, daß so berühmte und weise Männer einen so weiten Weg auf sich genommen hatten, nur um ihm das Geheimnis des perfekten Verstecks mitzuteilen. Es brauchte einige Zeit, um Balerion das Wie und Weshalb der ganzen Sache zu erklären, jedoch sein Geist, von Kindesbeinen an durch schwierigste Rätsel geschult, begriff schließlich, worum es ging, und dann war der König Feuer und Flamme, sprang vom Thron herab, versicherte die Konstrukteure seiner immerwährenden Gnade und Zuneigung und erklärte, sie würden den Preis unter allen Umständen bekommen, wenn sie nur gestatteten, daß er ihr Geheimrezept auf der Stelle ausprobierte. Klapauzius war zwar gar nicht geneigt, das Rezept so ohne weiteres zu verraten und brummte in den Bart, zunächst müsse man nach allen Regeln der Kunst einen entsprechenden Vertrag auf Pergament mit Siegel und Seidenquaste ausfertigen; doch der König blieb hartnäckig, bat sie so inständig und schwor bei allem, was ihm heilig war, sie würden den Preis ganz sicher bekommen, daß die Konstrukteure einfach nachgeben mußten. Trurl öffnete ein kleines Kästchen, nahm den darin befindlichen Apparat heraus und zeigte ihn dem König. Die Erfindung hatte mit dem Versteckspiel eigentlich nichts zu tun, konnte jedoch bestens dazu benutzt werden. Es war ein tragbarer, bilateraler Persönlichkeitstransformator, selbstverständlich mit jeder Menge Feedback. Mit seiner Hilfe waren zwei beliebige Individuen in der Lage, rasch und einfach ihre Persönlichkeit auszutauschen. Wenn man sich den Apparat auf den Kopf setzte, erinnerte er in seiner Form an die beiden Hörner einer Kuh. Wenn diese Hörner unter entsprechendem Druck mit der Stirn desjenigen in Berührung kamen, mit dem man den Austausch vollziehen wollte, so wurde der Apparat in Gang gesetzt und emittierte zwei gegenläufige Serien antipodischer Impulse. Durch das eine Horn strömte die eigene

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