Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Mühe den Kasten mit dem Staat hoch und trug ihn in seine Exilstube. Und während abwechselnd die Sonne diese Stube im Rhythmus der Umdrehungen des Planetoiden beleuchtete und die Nacht sie in ihren frostigen Bann schlug, übte der König, den seine Untertanen bereits als den größten auf der Welt anerkannten, fleißig seine Herrschaft aus, befahl, verbot, ließ hinrichten, belohnte und ermunterte auf diese Weise ohne Unterlaß seine Winzlinge zu vollkommener Untertänigkeit und Thronverehrung.
Trurl hingegen erzählte, nach Hause zurückgekehrt, nicht ohne Zufriedenheit sogleich seinem Freunde Klapauzius, mit welcher Darbietung konstruktiver Meisterschaft er die monarchistischen Bestrebungen des Exilius mit den republikanischen seiner einstigen Untertanen in Einklang gebracht hatte. Klapauzius jedoch, o Wunder, zollte ihm nicht die geringste Anerkennung, im Gegenteil, Trurl konnte etwas wie Tadel in seinen Augen lesen.
»Habe ich dich recht verstanden?« sagte er. »Du hast diesem grausamen König, diesem geborenen Sklavenhalter, diesem Torturophilen oder Qualenfreund, eine ganze Gesellschaft zu ewiger Herrschaft geschenkt? Und erzählst mir noch von dem freudigen Lärm, den die Annullierung eines Teils seiner grausamen Edikte hervorrief? Wie konntest du so handeln!«
»Du beliebst zu scherzen!« rief Trurl. »Schließlich hat dieser ganze Staat in einem Kasten Platz, dessen Größe hundert zu fünfundsechzig zu siebzig Zentimeter beträgt – er ist nichts anderes als nur ein Modell …«
»Modell wessen?«
»Was heißt hier wessen? Einer Gesellschaft, hundertmillionenfach verkleinert.«
»Und woher weißt du, ob es nicht Gesellschaften gibt, die hundertmillionenmal größer sind als unsere? Wäre dann unsere nicht ein Modell dieser riesenhaften? Und überhaupt, was für eine Bedeutung haben die Ausmaße? Dauert in diesem Kasten, das heißt in diesem Staat die Reise von der Hauptstadt bis zu den Antipoden nicht Monate – für die Bewohner dort? Leiden sie nicht, arbeiten sie nicht mühevoll, sterben sie nicht?«
»Nun ja, mein Lieber, du weißt doch selbst, daß alle diese Prozesse so ablaufen, weil ich sie programmiert habe, also nicht in Wirklichkeit.«
»Wieso nicht in Wirklichkeit? Willst du damit sagen, der Kasten sei leer und die Umzüge, Torturen und Hinrichtungen nur eine Täuschung?«
»Sie sind insofern keine Täuschung, als sie tatsächlich stattfinden, indessen allein als bestimmte mikroskopische Erscheinungen, zu denen ich die Atomschwärme gezwungen habe«, sagt Trurl. »Auf jeden Fall sind jene Geburten, Liebschaften, Heldentaten und Zuträgereien nichts als ein Sichtummeln winziger Elektronen in der Leere, geordnet durch die Präzision meiner nichtlinearen Kunst, die …«
»Ich mag die Worte deines Selbstlobs nicht länger hören!« schnitt ihm Klapauzius das Wort ab. »Du sagst, das seien Prozesse der Selbstorganisation?«
»Aber ja doch!«
»Und sie vollziehen sich zwischen winzigen elektronischen Wolken?«
»Das weißt du genau.«
»Und daß die Phänomenologie der Morgen- und Abenddämmerungen und der blutigen Kriege hervorgerufen wird von den Spannungen relevanter Variablen?«
»So ist es.«
»Und sind wir selbst, wenn man uns physikalisch, kausal und handgreiflich untersuchte, nicht ebenfalls Wölkchen elektronischen Sichtummelns? Positive und negative, in die Leere montierte Ladungen? Und ist unser Sein nicht das Resultat solcher Teilchengeplänkel, obwohl wir selbst die Wirbeltänze der Moleküle als Angst, Verlangen oder Überlegung empfinden? Und was geschieht in deinem Kopf anderes, wenn du träumst, als die duale Algebra der Umschaltungen und die unermüdliche Wanderung der Elektronen?«
»Mein lieber Klapauzius! Willst du unser Sein etwa identifizieren mit dem Sein dieses in den Glaskasten eingeschlossenen Quasi-Staates?« rief Trurl aus. »Nein, das ist zuviel! Meine Intention war doch, nur einen Simulator der Staatlichkeit zu schaffen, ein kybernetisch vollkommenes Modell, mehr nicht!«
»Trurl! Die Vollkommenheit ist unser Fluch, der durch die Unberechenbarkeit seiner Folgen jedes unserer Werke belastet!« sagte Klapauzius mit gewichtiger Stimme. »Denn ein unvollkommener Nachahmer, der anderen Torturen zuzufügen wünscht, würde sich eine unförmige Puppe aus Holz oder Wachs schaffen, ihr eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit einem vernünftigen Wesen verleihen und sie dann ersatzweise und künstlich quälen! Doch bedenke den Fortgang der Vervollkommnung
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