Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
solcher Praktiken, mein Lieber! Denke dir als nächsten einen Bildhauer, der eine Puppe mit einem Tonband im Bauch herstellt, damit sie unter seinen Schlägen stöhnt. Denke dir eine, die, wird sie geschlagen, um Erbarmen fleht, eine, die aus dem Holzklotz zum Homöostaten wird, denke dir eine Puppe, die Tränen vergießt, die blutet, eine Puppe, die sich vor dem Tode fürchtet, obwohl die sich zugleich nach seiner Ruhe sehnt, die gewisser ist als jede andere! Siehst du nicht, wie die Vollkommenheit des Nachahmers bewirkt, daß der Schein zur Wahrheit wird, die Täuschung zur Wirklichkeit? Du hast einem grausamen Tyrannen die ewige Herrschaft über unzählige Mengen leidensfähiger Wesen verliehen, du hast also etwas Schandbares getan …«
»Das sind alles Sophismen!« schrie Trurl heftig, weil die Worte seines Freundes ihn getroffen hatten. »Die Elektronen hüpfen nicht nur in unseren Köpfen, sondern auch in den Schallplatten, und aus dieser allgemeinen Eigenschaft ergibt sich nichts, was zu derart hypostatischen Analogien berechtigen könnte! Die Untertanen des Ungeheuers Exilius verlieren tatsächlich den Kopf und das Leben, sie schluchzen, schlagen und lieben sich, weil ich die Parameter in der erforderlichen Weise abgestimmt habe, aber ob sie dabei irgend etwas empfinden, das weiß man nicht, Klapauzius, denn davon werden die in ihren Köpfen hüpfenden Elektronen nichts sagen!«
»Wenn ich dir den Kopf zerschlüge, würde ich auch nichts erblicken als die Elektronen, das ist gewiß!« sagte jener. »Du tust doch nur so, als sähest du nicht, was ich dir zeige, ich weiß sehr wohl, du bist nicht so dumm. Eine Schallplatte kannst du nicht befragen, eine Schallplatte fleht nicht um Erbarmen und fällt auch nicht auf die Knie. Man weiß nicht, sagst du, ob sie, nur weil ihnen die Elektronen in ihrem Innern dazu die Impulse geben, unter den Schlägen stöhnen wie Räder, die sich geräuschvoll bewegen, oder ob sie wirklich aus ehrlich empfundenem Schmerz schreien? Das ist mir eine Unterscheidung! Es leidet doch nicht, wer dir sein Leiden hinhält, damit du es abtastest, untersuchst und wägst, sondern wer sich wie ein Leidender verhält! Beweise mir hier auf der Stelle, daß sie nicht leiden, daß sie nicht denken, daß es sie überhaupt nicht gibt als Wesen, die sich des Eingeschlossenseins zwischen den beiden Abgründen der Nichtexistenz bewußt sind, zwischen der vor der Geburt und der nach dem Tode, beweise mir das, und ich werde aufhören, dich zu behelligen! Beweise mir auf der Stelle, daß du das Leiden nur nachgeahmt, aber nicht geschaffen hast!«
»Du weißt genau, das ist unmöglich«, entgegnete Trurl leise. »Denn indem ich die Instrumente zur Hand nahm, als der Kasten noch leer war, mußte ich sogleich die Eventualität eines solchen Beweises voraussehen, um ihr bei der Projektierung des Staates für Exilius zuvorzukommen, und zwar damit in dem Monarchen nicht der Eindruck entstand, er habe es mit Marionetten zu tun, mit Puppen statt mit ganz realen Untertanen. Ich konnte nicht anders handeln, versteh doch! Denn alles, was die Illusion absoluter Realität unterhöhlt, hätte den Ernst der Herrschaft zerstört und sie zu einem mechanischen Spiel gemacht …«
»Ich verstehe, ich verstehe genau!« rief Klapauzius. »Deine Intentionen waren edel – du wolltest nur einen Staat errichten, der einem wirklichen möglichst ähnlich sei, ähnlich bis zur Ununterscheidbarkeit, und ich begreife dein Grauen, daß dir das gelungen ist. Seit deiner Rückkehr sind nur Stunden vergangen, aber für die da, die in dem Kasten eingeschlossen sind, ganze Jahrhunderte. Wieviel zugrunde gerichtete Existenzen, nur damit Exilius’ Hochmut sich aufplustern und aufblähen kann!«
Ohne noch etwas zu sagen, begab sich Trurl zu seinem Raumschiff und sah, daß sein Freund ihm folgte. Nachdem er die Raumfähre wie einen Kreisel herumgedreht hatte, richtete Trurl ihren Bug auf die Stelle zwischen zwei großen Haufen zeitloser Feuer und drückte auf die Steuer, bis Klapauzius sagte:
»Du bist unverbesserlich. Immer handelst du erst und denkst später. Was willst du tun, wenn wir dort ankommen?«
»Ich werde ihm den Staat wegnehmen.«
»Und was damit machen?«
Vernichten, wollte Trurl schreien, doch bei der ersten Silbe hielt er inne, sie kam ihm nicht über die Lippen. Er wußte nicht, was er sagen sollte, und murmelte:
»Ich werde Wahlen ansetzen. Sollen sie sich selbst gerechte Herrscher aussuchen.«
»Du hast sie als
Weitere Kostenlose Bücher