Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
ich das aufgeschwemmte Gesicht meines Opfers, während die Hangartür aufging und das Luftkissenfahrzeug hineinglitt.
    Bertil machte unvermittelt kehrt und lief zur Hangartür. Was war los? Mir blieben nur wenige Meter für meine Aktion. Ich betätigte vorsichtig den Aktivator der Armbrust, ohne Bertils Gesicht aus den Augen zu lassen. Im Horchgerät vernahm ich ein dumpfes, saugendes Geräusch, und im Sucher zuckten die Schultern des Mannes krampfhaft. Einen Augenblick später lag er auf dem Rasen, und ich nahm bereits die Ausrüstung ab und legte sie auf die jetzt nutzlose Armbrust; ich war beunruhigt, als ich den Selbstzerstörungsmechanismus der Waffe einschaltete. Bertils Verhalten war irgendwie merkwürdig gewesen, als stünde er unter einem Einfluß, der in meinem Aktionsplan nicht vorgesehen war. Sicherheitshalber überprüfte ich den biologischen Sensor der Armbrust und stellte fest, daß die lebenswichtigen Funktionen des Opfers endgültig ausgeschaltet waren. Erst jetzt betätigte ich den Auslöser für die geräuschlose Selbstzerstörung; die Armbrust begann zu vibrieren, und verwandelte sich allmählich in ein Häufchen kristalliner Asche, während ich im Dickicht verschwand und mich auf den Weg zu meinem Luftkissenfahrzeug machte.
     
    Der kleine, sportliche Zweisitzer glitt mühelos auf die Automatik-Spur der Autobahn, so daß ich Zeit hatte, die zeitmutierten Nachwirkungen der Vibrationen der Armbrust in meinem Körper zu löschen: kein Detektor der interplanetarischen Polizei konnte jetzt die gefährlichen Spuren einer subsonischen Waffe an mir entdecken.
    Während die Vegetation am Straßenrand immer karger und gepflegter wurde, als wir uns den Vororten näherten, konzentrierte ich mich auf das Finale der Aktion: der Magnettasche entnahm ich die versiegelten Päckchen, die mir Jonas, unser lokaler Agent, vor einigen Stunden gemeinsam mit den letzten Informationen über Bertils Aufenthaltsorte übergeben hatte, und überflog noch einmal die Untersuchungsergebnisse meiner letzten »Käufe« für das interrassische Antiquariat. Die beiden lemmianischen Masken waren echt – attestierte das von Jonas ausgestellte Zeugnis – und stammten aus der XII. Kuprischen Dynastie, also aus der am wenigsten geschichtlich belegten Periode Lemmias. Die gelbliche Patina war der beste Beweis für ihr Alter, denn nur der Zusatz von gewissen Magnesiumsalzen, die heutzutage nicht mehr in dieser Zusammensetzung hergestellt werden konnten, verlieh dem Kupfer der alten Handwerker jenen gold-gelben Stich. Dem Zeugnis beigelegt waren das Echtheitszertifikat der Zentraluniversität und Röntgenbilder. Ich betrachtete kurz die beiden Fotos und lernte die übrigen wesentlichen Angaben auswendig: dann verbrannte ich die Informationen im Vernichtungsmechanismus des Armaturenbretts. Lyvia würde bestimmt vorziehen, die Beschreibung der beiden Trophäen und den Bericht über die aufregende Jagd nach ihnen von mir persönlich zu erhalten.
    Einige Minuten später überflog das Luftkissenfahrzeug einige Villenviertel und hielt vor dem mobilen Atrium des Splendid. Ich schaltete die automatische Steuerung auf Parken, stieg aus und fuhr mit dem Laufband zum Fahrstuhl. Der Biolaser am Eingang hatte sich bereits davon überzeugt, daß es sich um einen registrierten Gast handelte, und öffnete mir die Tür. Im sechzehnten Stockwerk stieg ich aus und ging, die Magnettasche fröhlich schwenkend, zu meinem Zimmer. Etwas Grünliches flitzte an meinen Füßen vorbei, als ich um die Ecke bog, und ich erkannte das kleine Geschöpf, das hastig über den cremefarbenen Teppich trippelte; gleichzeitig erblickte ich Lyvias zierliche, halbnackte Gestalt, die auf mich zulief.
    »Tito!« brüllte ich und wandte mich dem Insektoid zu, das schon einige Meter entfernt war. Aus instinktiver Angst oder infolge einer ausgefallenen genetischen Alchemie fürchtete sich Lyvias Insektoid vor meiner Stimme. Tito machte noch einen Sprung und blieb dann mit zitternden Antennen an der Wand hängen.
    »Tito!« jammerte Lyvia, als sie ihn erblickte, »wie oft habe ich dir schon gesagt, daß du nicht allein weglaufen darfst. Stell dir doch vor, was geschehen würde, wenn dich ein lemmianischer Rabe erwischt.«
    Ich machte Lyvia – und auch Tito, der es vielleicht schon wußte – nicht darauf aufmerksam, daß die lemmianischen Raben, die einen Meter zwanzig hoch sind und eine Flügelspannweite von drei Metern aufweisen, nur selten in Hotelkorridoren anzutreffen sind.

Weitere Kostenlose Bücher