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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Welt.
    Es war empörend. EM-PÖ-REND und abstoßend! Für die Menschen aus den Städten gab es keine Freiheit mehr. Sie waren förmlich eingesperrt zwischen ihren hohen Mauern, Schiffbrüchige auf einem steinernen Ozean.
    … und das ist nur gerecht so! Denn die Menschen aus den senkrechten Städten haben ihren sterilen Mist über das Land verstreut, mit ihren Exkrementen die Saat der Äcker besudelt, schamlos haben sie in die Wiesen gepißt, die Wälder in Brand gesteckt, den Bauch der Erde aufgerissen. Die Stadtmenschen müssen für ihre Verbrechen büßen! Nostra maxima culpa! Maledictio Domini descendat super vos et manet semper!
    Er spürte, wie diese gräßlichen Worte sich einen Weg durch seinen Verstand bahnten, einem gefräßigen Wurm gleich, der sich von Hirnmasse ernährt. Ein fürchterliches Gefühl …
    Er öffnete die Wagentür, schleppte sich in den Graben, kotzte sein schreckliches Frühstück aus. Als er sich wieder erhob, die Augen voller Tränen, den Mund von einem idiotischen krampfhaften Lachen verzogen, da stand der Eindringling einer zwischen den hohen Maisstauden kauernden Frau gegenüber. Mit weitgeöffnetem Mund, zwischen den Schenkeln liegenden Händen schaute sie ihn an. Erst einen Augenblick später wurde ihm bewußt, daß sie dabei war, zu masturbieren. Diese Feststellung ekelte ihn an.
    »Entschuldigung«, meinte er dummerweise. »Ich hatte Sie nicht gesehen, Madame …«
    Die Frau war etwa vierzig Jahre alt. Nicht sonderlich hübsch, aber auch nicht häßlich, trotz ihres albernen Blicks. Sie bemühte sich nicht im geringsten, ihre intimen Körperteile zu verbergen, ihren schweren, hellen Hintern, ihr breites, von dichtem Haar umgebenes Geschlecht.
    »Sie sehen ziemlich krank aus«, sagte sie, wobei ihre Augen wieder etwas lebhafter wurden.
    »Ich habe mich verirrt«, sagte er, »ich suche die Autobahn. Können Sie mir sagen, wo sich die Autobahn befindet?«
    »Welche Autobahn?« fragte die Bäuerin, bevor sie ihren dunklen Rock wieder über ihre gebräunten Schenkel zog.
    »Die A 36. Ich muß nach Garano.«
    »Garano? Eine große Stadt.«
    »Ja. 320.000 Einwohner.«
    Sie trat aus dem Maisfeld, wobei sie die reifen Kolben sanft streichelte. Er erinnerte sich an einen amerikanischen Roman, in dem eine der Personen ein junges Mädchen mit einem Maiskolben vergewaltigte. Aber eine derartige Behandlung würde der Frau, die nun forschen Schrittes auf ihn zukam, gewiß keine Angst machen.
    »Können Sie mir helfen?« fragte er.
    »Wobei?«
    »Das habe ich doch eben gesagt … die Autobahn nach Garano?! Seit mehr als einer Stunde fahre ich im Kreis herum und …«
    »Ich habe euch für schlauer gehalten, euch Menschen aus der Stadt … aber ich glaube, das sind nur so Vorstellungen, die wir Menschen vom Land uns so machen? Wenn Sie mich ein Stückchen mitnehmen, zeige ich Ihnen den Weg …«
    Ironie lag in den Augen dieser Frau, Augen, die nun sehr lebhaft schienen, und Sarkasmus in ihrer Stimme …
    »Gut«, sagte er, »ich nehme Sie mit.«
    »Vielen Dank. Sie haben ein hübsches Auto. Aber was nützt es Ihnen, wenn die Planer Ihnen keine Benzingutscheine geben? Na?«
    »Genau«, sagte er, während sie es sich auf dem Beifahrersitz neben ihm bequem machte. »Nun gehört die Zukunft den Arbeiterklassen vom Land. Die Stadtproletarier müssen auf der Hut sein … Finden Sie das richtig, Madame?«
    »Ist mir egal. Ich mach keine Politik.«
    Als er den Wagen in Bewegung setzte, schob sie ihren Rock über ihre muskulösen Beine hoch und kratzte sich am rechten Innenschenkel.
    Sie schämt sich überhaupt nicht, dachte er, ein richtiges Tier.
    Eine Weile fuhren sie stumm dahin.
    »Eure Frauen aus der Stadt tun so was nicht, oder?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ach, Sie wissen schon … vor den Augen eines Mannes pinkeln und sich kratzen …«
    Um Haltung zu bewahren, versuchte er, laut aufzulachen, doch sogleich wurde ihm bewußt, daß er nur albern zu kichern vermochte.
    »In der Stadt … da ist alles möglich …«, behauptete er.
    »Genau! Und auf dem Land, glauben Sie, daß da nie etwas passiert?«
    »Das wollte ich damit nicht sagen … Ist es noch weit?«
    »Was?«
    »Die Autobahn, Herrgottnochmal, diese verdammte Autobahn, sie ich suche seit mehr als …«
    »Beruhigen Sie sich doch, Mann! In weniger als zehn Minuten ist es soweit …« Das laute Lachen der Frau tönte im Wageninneren auf wie eine Hupe. »Anscheinend seid ihr Männer aus den senkrechten Städten besonders gut bei … bei jenen

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