L wie Liquidator
Gomorrha regnen läßt …
DENN IN DEN STÄDTEN GAB ES KEINE GERECHTEN.
Das Dorf war klein.
Vielleicht zweihundert bis zweihundertfünfzig Einwohner.
Auf dem Platz in der Nähe des Brunnens, im Schatten des Kirchturms, gab es nur wenige Menschen; dabei hatte er (Gott weiß, warum?!) zu seinem Empfang eine grölende, feindselige Menge erwartet. Das Gesetz des Talion, steinigt ihn, überlaßt ihn uns, diesen Hurensohn, der aus der Stadt kam, um uns ins Gesicht zu spucken!
Er saß zwischen der Frau und dem Idioten auf dem hinteren Sitz des roten Kabrioletts.
Während der gesamten Fahrt (etwa fünf Kilometer weit) spürte er an seinem Bein die Berührung des Beins dieser verdammten Bäuerin, und er fühlte sich maßlos gedemütigt. Vor allem wegen des Spermaflecks, der seine Hose besudelte. Wenn man bedenkt, daß er in seine Hose ejakuliert hatte, während er diese geile Vettel wichste, wenn man bedenkt, daß er wegen dieser verdammten Bauernschlampe einen Steifen bekommen hatte. Wenn Jezabel diesen Fleck an seiner beigen Hose sehen würde, würde sie Bemerkungen machen und …
Nie mehr werde ich Jezabel wiedersehen … nie mehr!
Obwohl:
Gott erschuf nie
Ein Mädchen so schön
So schön wie Jezabel
Dee!
GEMEINDEHAUS/SCHULE.
Ein schmuckloses Gebäude. Einstöckig. Schieferdach. Grüne Fensterläden, von denen in der Sonne die Farbe abblätterte.
Der Zug, der Ifidia-Sari um 08.13 verließ, lief um 09.17 im Bahnhof von GARANO ein. Ohne Verspätung. Wie immer.
»Wieviel Uhr ist es?« fragte der Eindringling.
Doch niemand hielt es für nötig, ihm zu antworten. Der Bürgermeister stellte sich vor.
»Ich bin der Bürgermeister dieser Gemeinde. Ich bin zuständig für Ihre … äh … Rechte und sorge für Ihre … äh … Sicherheit. Im Falle sexueller Gewalthandlungen ist es angebracht, die Vormundschaftsorgane zu benachrichtigen. Wenn Sie vernünftig sind …«
»VERNÜNFTIG! Aber Sie wissen doch genausogut wie ich, daß diese Schlampe mich gezwungen hat …«
Der Bürgermeister hob die Hand und erklärte: »Kein einziges Wort mehr, Monsieur … übrigens muß ich Sie um Ihre Ausweispapiere bitten …«
Personalausweis / Führerschein / Ausflugserlaubnis / Wagenpapiere / Versicherung / Führungszeugnis / Mitgliedskarte der PEP (Planer-Einheitspartei) / Gesundheitszeugnis / Eidesstattliche Versicherung / Wählerkarte / fehlt noch was? Nein. Nichts.
»Danke. Wir gehen Anzeige erstatten.«
Man sperrte ihn in einen eher kühlen Keller. Größe: 4x3 m – wie soll man da nicht ständig im Kreis herumlaufen wie ein wildes Tier in seinem Käfig. Er legte sich auf den Rücken, die Arme hinter dem Kopf, genau in die Mitte dieses schattigen Kellers. Von der Pritsche, die der Bürgermeister ihm zur Verfügung gestellt hatte, machte er keinen Gebrauch.
Er hatte nicht wirklich Angst. Er war zu verwirrt, zu wütend, um sich von Panik erfassen zu lassen. Er träumte nur davon, diese Tür aus grobem Holz einzudreschen, sich einer Waffe und einer Harzfackel zu bemächtigen, um dieses verdammte Dorf in Brand zu stecken.
Schließlich schlief er ein.
Die Frau, die er in seinem Wagen mitgenommen hatte, stieß die Tür des Kellergefängnisses auf und blieb auf der Schwelle stehen. Würdevoll und in steifen Kleidern, als wüßte sie nichts von der Ursünde.
»Zu dumm, was dir da passiert ist«, sagte sie. »Du hast es mir so wundervoll gemacht, daß ich mich jetzt regelrecht nach dir verzehre. Komm …«
Er wachte auf und wurde sich bewußt, daß er in einen bleiernen Schlaf gefallen war. Aber dennoch …
Er hatte Hunger. Neben der Pritsche fand er einen halben Brotlaib, zwei Speckscheiben, ein bißchen Käse, drei Gurken, eine Handvoll grüner Oliven und einen Viertel Liter Rotwein. Ein wahres Festmahl für einen Stadtmenschen. Mit halbgeschlossenen Augen begann er zu essen. Und dachte an Jezabel.
»Welch ein Wahnsinn«, sagte er sich, »was für ein Unsinn!«
Frans Gatte stand im Halbschatten des Gemeinderatssaals. Er war mindestens sechzig Jahre alt. Und fingerte mit beiden Händen an seiner Mütze herum. So als würde er dafür bezahlt, genau das zu tun. Aber vielleicht hatte man ihn tatsächlich dafür bezahlt, das zu tun.
»Ja, ja«, sagte er, »es stimmt.«
»Was stimmt?« fragte der Bürgermeister.
»Es stimmt, daß meine Frau eine gute Mutter ist und niemals Unkeusches getan hat … nie im Leben! Es ist der Teufel aus der Stadt, der sie verführt hat …« (daheim, auf dem Hof,
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