L wie Love
würde. Großmama T meinte daraufhin aber nur, dass diese Tradition in diesem Jahr eventuell geändert und stattdessen ein Menschenopfer gebracht werden würde. Beim Sprechen hatte sie Hugo bedeutungsvoll angesehen. Ich glaube, die Zeit bei uns hat Großmama T abgehärtet und sie hammercool gemacht.
Die Kerzen tauchten die Kirche in einen milden Schein, der Duft von Weihrauch kitzelte in der Nase. Es war brechend voll. Wir waren alle da, Mom und Dad, Großmama T, Nannu und Nanna, Sophia und Anthony, Hugo und ich. Eigentlich wie an jedem Heiligabend, an den ich mich erinnern konnte. Erinnern!
Mir kam die Erleuchtung! Ein Weihnachtswunder. Ich wusste, was ich Nannu schenken wollte. Vor Aufregung hüpfte ich beinahe aus der Kirchenbank. Es war x-zellent! Das beste Geschenk aller Zeiten.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis wir zu Hause waren! Dad kutschierte durch die ganze Nachbarschaft, um Großmama T die Beleuchtung an den anderen Häusern zu zeigen, obwohl ich ihn daran erinnerte, dass wir an unserem eigenen Haus ebenfalls eine Weihnachtsbeleuchtung hatten. Wieso konnten wir uns die nicht angucken und mussten x-mal durch die Gegend fahren? Schon mal was von Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung gehört?
Er beachtete mich nicht.
Sobald wir jedoch zu Hause waren, stürzte ich die Treppe hinauf. Ich ging in mein Zimmer und riss sämtliche Kleider heraus, die auf dem Schrankboden lagen. Suchen. Suchen. Da, ich hatte es gefunden. Ein Album, das mir Großmama T im vergangenen Jahr geschenkt hatte (damals hatte ich das Geschenk blöd gefunden und ganz hinten im Schrank vergraben). Ich rannte mit dem Album in der Hand nach unten ins Esszimmer. Ich schob ein paar Schüsseln zur Seite, die fürdas Essen am nächsten Tag schon bereitstanden, und legte das Album auf den Tisch. Aus der Schrankwand im Wohnzimmer holte ich sämtliche Fotoalben, die ich finden konnte, und machte mich an die Arbeit.
Irgendwann kam Mom herein, sah den Stapel von Fotografien, die ich aus den Alben gelöst hatte, und gab mir einen Kuss auf den Scheitel. »Bleib nicht zu lange auf«, sagte sie.
»Nein. Gute Nacht, Mom. Gute Nacht, Boo-Boo.«
Kurz darauf hörte ich, wie Anthony ging. Dann wurde es ruhig im Haus.
Ich arbeitete ohne Pause, aber es war nicht einfach, die richtigen Fotos auszusuchen. Ich würde die ganze Nacht dafür brauchen. Großmama T kam herein und brachte mir eine Tasse heiße Schokolade. Ich schielte argwöhnisch auf ihren Mund, aber ihre Zähne waren noch an Ort und Stelle.
»Möchtest du Hilfe? Wie wäre es, wenn du die Bilder aussuchst und ich sie für dich einklebe?«, schlug Großmama T vor.
Ich überlegte. Es war mein Geschenk für Nannu, aber ihm würde es bestimmt nichts ausmachen, wenn Großmama T mir half.
Wir arbeiteten schweigend eine halbe Stunde lang.
»Ich habe richtig Angst bekommen, neulich in der Schule«, sagte ich dann. »Ich meine, als Nannu mich nicht mehr erkannt hat.«
»Das war auch für mich beängstigend«, sagte Großmama T. »Als ich als kleines Mädchen im Krieg verschickt wurde,war plötzlich alles so anders. Mir kam es vor, als hätte jemand ein Loch um mich herum gegraben und ich stünde schwankend an seinem Rand. Als ob ich den Boden unter den Füßen verloren hätte. So etwas passiert, wenn sich das Leben ganz plötzlich ändert.«
»Genauso war es bei mir!« Ich konnte kaum glauben, dass es Großmama T ebenso ergangen war.
»Das passiert jedem mal im Leben«, sagte Großmama T. »Doch denke immer daran, dass du eine Familie hast, die dich liebt und die dir in schweren Zeiten zur Seite steht. Das ist eine große Hilfe.«
»Ich bin froh, dass du in der Geschichtsstunde dabei warst«, sagte ich.
»Danke.« Großmama T lächelte und blätterte die nächste Seite im Album um. »Hier sind noch zwei freie Seiten. Hast du noch mehr Bilder?«
»Ich will sie leer lassen«, sagte ich.
Ich blätterte Nannus Geschenk durch, während Großmama T die Alben wegräumte.
»Meinst du, er freut sich darüber?«, fragte ich.
»Ganz bestimmt«, erwiderte Großmama T.
SMS
8:47 Uhr
An: Biff
Von: T.
Betreff: Frohe, frohe Weihnachten
Diese SMS kommt von meinem neuen HANDY!
T.
Ich kann es immer noch nicht fassen! Mom und Dad haben mir ein Handy geschenkt! Und Hugo hat auch eins bekommen. Sie wollen jedem von uns zehn Dollar im Monat geben. Sie sagen, dass müsse für Familienanrufe und Notfälle reichen. Was wir sonst vertelefonieren, müssen wir selbst bezahlen. Denn das ist Luxus und nicht
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