L.A. Woman
überschlugen sich. Das war also des Rätsels Lösung? Wenn Sie nicht versuchte, jemandem zu gefallen, sondern einfach ihren Job machte und einen Typen in seine Schranken wies, dann wurde ihr plötzlich ein Job angeboten?
„Danke“, sagte sie amüsiert. „Das werde ich.“
Judith schlug das Herz bis zum Halse. Sie wartete in der Lobby des Hauses, in dem Sarah wohnte, auf den Fahrstuhl, den Koffer hatte sie neben sich abgestellt. Durch überlegtes Packen war es ihr gelungen, Kleidung für zwei Wochen und ihr komplettes Make-up mitzunehmen, und in ihrer Aktentasche befanden sich alle nötigen Papiere. Selbst wenn sie also auf Sarahs Couch übernachten musste, selbst wenn sie das Bad mit dieser – wie nannte Sarah sie? Amazone? – also selbst wenn sie mit ihr das Badezimmer teilen musste, würde alles funktionieren. Und irgendwann würde sicher auch David bemerken, dass sie gegangen war.
Vielleicht hätte sie ihm ja einen Zettel schreiben sollen.
Die schäbige Fahrstuhltür öffnete sich, und Judith trat ein. Warum hätte sie ihm etwas hinterlassen sollen? Er war doch sowieso die meiste Zeit im Büro. Als sie an der Wohnungstür ankam, hörte sie eine Stimme. Das ist bestimmt die Amazone, dachte sie und lauschte:
„Aber ich muss da hin!“ schrie die Stimme.
Judith klopfte mehrfach und ärgerte sich darüber, dass sie nicht vorher angerufen hatte. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Die Tür wurde aufgerissen.
„Sarah?“
Judith blinzelte erstaunt. Martika sah mit den Locken, die ihr wild vom Kopf abstanden, wie eine Voodoo-Prinzessin aus. Sie hatte ein Telefonhörer ans Ohr gepresst.
„Äh, hallo“, sagte Judith.
Martika winkte ihr ungeduldig zu. „Hast du was von Sarah gehört?“
„Nein …“
„Verdammt!“ Martika rannte zurück ins Wohnzimmer. „Taylor, das reicht jetzt. Wir fliegen nach Las Vegas.“ Sie hörte einen Moment zu. „Ich weiß, dass es dort Tausende verdammte Hochzeitskapellen gibt, aber wir werden sie finden. Ich weiß nicht, wie! Engagiere einen Detektiv oder so was.“
Judith zog trug vorsichtig ihren schweren Koffer hinein. „Ich komme wohl zu keinem günstigen Zeitpunkt, oder?“
Martika schenkte ihr nun zum ersten Mal Beachtung. „Oh, keine Ahnung. Sarah hat mir eine Notiz hinterlassen, auf der steht, dass ich meinen Kram hier rausräumen soll, bevor sich der Mietvertrag verlängert, weil sie
heiraten
will, und zwar diesen Arsch Benjamin. Für mich klingst das nach keinem günstigen Zeitpunkt. Was meinst du?“
Judiths Kiefer klappte nach unten. „Sie zieht das also wirklich durch? Ich habe geglaubt, sie macht nur Show.“
Nun schenkte ihr Martika einen echten Amazonen-Blick. „Warte eine Sekunde. Sie hat dir erzählt, dass sie heiraten will?“ Man konnte ein aufgeregtes Quieken vom anderen Ende des Telefons hören, und Martika sagte: „Taylor, bleib dran. Judith scheint zu wissen, was hier los ist. Judith. Ja, genau die.“ Sie drückte das Telefon an ihre Brust. „Was hat sie dir erzählt? Wann habt ihr gesprochen?“
„Vor ein paar Tagen. Sie fragte mich, ob ich bei ihrer Hochzeit mit Benjamin dabei sein wolle. Ich dachte, das sei nur ein Witz. Ich meine, ich bin davon ausgegangen, dass sie wieder Vernunft annimmt.“
„Scheint aber kein Witz gewesen zu sein, was?“ Martika seufzte. „Hat sie dir gesagt, wo?“
„In diesem mittelalterlich aussehenden Schloss … Excalibur!“
Jetzt sah Martika äußerst beleidigt aus. „Dir hat sie es erzählt und mir nicht?“
„Sie wollte …“ Judith unterbrach sich. Es erschien ihr klüger, nicht zu erwähnen, dass Sarah sie gebeten hatte, ihre Brautjungfer zu werden. „Sie wollte, dass ich dabei bin. Ich schätze, sie ging davon aus, dass ich sie besser verstehen würde.“
„Warum bist du dann nicht dabei?“
Judith starrte auf den Teppich. „Die letzten Wochen liefen bei mir ziemlich … aufreibend. Ich habe ihr kaum zugehört, als sie mir davon erzählte, und ich habe sie angemotzt. Ich habe mich … nicht sehr diplomatisch ausgedrückt. Ich war so mit meinen eigenen Problemen beschäftigt.“ Sie warf Martika einen Blick zu und wartete darauf, dass sie nachhakte, doch die starrte nur auf den Koffer und Judiths Finger, an dem sie bis vor kurzem den Ehering getragen hatte.
„Verstehe.“ Man musste ihr zugestehen, dass sie in der Lage war, in ihrem erschreckenden Outfit trotzdem sehr verständnisvoll zu wirken. „Okay. Du weißt nicht zufällig,
wann
sie heiraten will?“
Judith runzelte die
Weitere Kostenlose Bücher