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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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mir den Abend nicht vorgestellt. Wäre ich nur zu Hause geblieben. Ich hätte auch im Bett schön schmollen können. Aber nein, ich musste ja auf große Tour gehen. Wer nicht brav ist, wird vom Universum anscheinend direkt abgestraft. Vielen Dank, du blödes Universum! Jetzt stehe ich hier wie eine Sünderin, bewacht von einem kleinen Wichtigtuer. Phantastisch.
    »Wie – Sie haben kein Handy?«, fragt der Kassenmann nach. Dass jemand kein Handy dabei hat, scheint noch verdächtiger zu sein, als kein Geld dabei zu haben.
    »Könnte ich vielleicht hier mal telefonieren?«, frage ich schüchtern. »Dann kann ich zu Hause anrufen. Und ich denke, es wird mich schon jemand hier abholen!«
    »Es geht weniger ums Abholen als ums Auslösen!«, weist mich der Mann zurecht. Klugscheißer mag ich ganz besonders gerne, unterdrücke aber den Impuls, ihm das sofort mitzuteilen. Der scheint die Situation richtig zu genießen. Immer, wenn neue Kunden in den Kassenbereich kommen, fängt er von neuem an, mir zu erklären, dass man ohne Geld nicht tanken darf. »Die Botschaft ist angekommen, ich tanke schließlich nicht zum ersten Mal in meinem Leben«, will ich ihn anschreien, lasse es aber. Schließlich bin ich auf seinen guten Willen angewiesen. Nachdem er ausführlich und natürlich in Seniorenwohnheimlautstärke mit seinem Chef telefoniert hat, reicht er mir mit großer Geste das Telefon.
    »Der Chef sagt, Sie dürfen einen Anruf machen«, teilt er mir mit.
    Einen Anruf! Das ist ja wie im Krimi, wenn der Verdächtige seinen Anwalt anrufen darf. Trotzdem bedanke ich mich artig und überlege.
    Da ich außer der Nummer meiner Mutter und unserer Festnetznummer keine weitere im Kopf habe, gilt es abzuwägen. Meine Mutter oder Christoph? Ich weiß gar nicht, was schlimmer ist. Wenn ich meine Mutter anrufe, wird sie mich sofort fragen, warum ich nicht Christoph anrufe. Wenn ich Christoph anrufe, muss ich mit ihm reden. Beides keine sehr verlockenden Optionen!
    Ich entscheide mich für meine Mutter. Ich will mir bei Christoph einfach keine Blöße geben. Dass ich meine Mutter wähle, spricht Bände.
    »Wollen Sie jetzt telefonieren oder nicht?«, hakt der Kassenmann nach.
    Wenn ich bloß die Nummer von Sabine im Kopf hätte. Oder wenigstens von Anita. Am aller einfachsten wäre es, wenn mir jemand hier Geld leihen könnte. Ich nehme alles, was an Charmepotential in mir schlummert, zusammen und frage scheu meinen zuständigen Kassierer:
    »Würden Sie mir vielleicht das Geld leihen oder stunden? Ich lasse Ihnen auch ein Pfand da, meinen Ausweis zum Beispiel!«
    Die Reaktion ist ernüchternd. Er guckt, als hätte ich ihn gebeten, mir ein Organ zu spenden.
    »Wo kommen wir denn da hin?«, poltert er los, »ich kenne Sie nicht. Den Trick haben schon andere versucht.«
    Der Mann und ich werden keine engen Freunde werden.
    Ich ergreife, ohne zu antworten, das Telefon und wähle die Nummer meiner Mutter. Inzwischen ist es Viertel nach acht und wahrscheinlich hat gerade irgendeine Rosamunde-Pilcher-Schmonzette begonnen, und meine Mutter überlegt, welcher Idiot sie bei ihrem Abendvergnügen stört. Sie klingt auch ziemlich ungehalten.
    »Mama, ich habe ein Problem«, beginne ich.
    »Muss das ausgerechnet jetzt sein«, kommt prompt die Rückfrage.
    »Ja«, sage ich. »Ich stehe an der Tank- und Rastanlage Weißkirchen Süd und habe kein Geld. Es muss mich jemand auslösen. Ich habe getankt und kann nicht zahlen. Könntest du mir helfen?«
    Meine Mutter atmet schwer.
    »Dann zahl doch mit deiner Kreditkarte. Du hast doch eine!«, schlägt sie vor.
    Eine Wahnsinnsidee. Meine Güte, meine eigene Mutter hält mich für geistig minderbemittelt.
    »Mama, ich habe keine Karte dabei, sonst hätte ich dich ja nicht angerufen«, und um weiteren Rückfragen vorzubeugen, füge ich hinzu, »Christoph ist beruflich unterwegs!«
    Es dauert einen Moment. Ich höre, wie meine Mutter meinen Vater ruft.
    »Ich kann selbst nicht kommen, du weißt doch, ich fahre nicht gerne nachts. Das muss der Papa machen.«
    Ich verkneife mir den Kommentar, dass es Sommer ist und draußen noch völlig hell.
    »Was ist denn jetzt?«, fragt der Kassenmann dazwischen.
    »Einen Moment noch!«, bettle ich, obwohl ich ihm sehr viel lieber ein paar reinhauen würde. Der tut gerade so, als würde ich auf seine Kosten seit Stunden mit einer 0190 er Nummer telefonieren.
    »Der Papa holt dich da raus!«, übermittelt meine Mutter die erlösende Botschaft.
    Welch ein Glück! Mein Vater ist

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