Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
Vom Netzwerk:
»Ich war mir nicht sicher, wo du diesmal hinfährst. Schön, dass du uns mal die Ehre gibst!«
    Das sagt ja gerade der Richtige. Das wäre an sich doch mein Satz gewesen. Aber er ist noch nicht fertig.
    »Weißt du, Andrea, wenn du meinst, du müsstest auf große Fahrt gehen, nur weil ich keine Kohlenhydrate zum Abendessen will, dann nimm doch demnächst dein Portemonnaie mit!«
    Wie kalt das klingt. Wie wenig liebevoll. Nicht meine Abwesenheit hat ihn gestört, sondern eher die Tatsache, dass er jetzt noch mal raus musste, um mich auszulösen.
    »Kannst du das gar nicht verstehen?«, frage ich in der Hoffnung, doch noch eine etwas verbindlichere Aussage zu hören.
    »Bei aller Willenskraft, das fällt mir schwer. Ich meine, du bist doch erwachsen, führst dich aber fast so auf wie Claudia. Langt nicht eine in der Familie, die pubertiert?«
    War das jetzt verbindlich? Wohl eher nicht.
    »Ich bin es manchmal einfach leid, hier nur für niedere Dienstleistungen gefragt zu sein. Kochen, putzen, waschen und mal eben ein Abendessen für vermeintliche Freunde zaubern. Das alles ohne die geringste Anerkennung. Mir hat es heute einfach gereicht!«, versuche ich, mein Handeln zu erklären und einen kleinen Einblick in meine gebeutelte Seele zu geben.
    Als ich aufgucke sehe ich, dass die Nudeln immer noch kreuz und quer im Wohnzimmer liegen. Ich könnte direkt aufstehen und wieder losfahren.
    »Ihr habt nicht mal die Nudeln aufgehoben!«, seufze ich vorwurfsvoll.
    »Mein Vater wollte sie sogar wegräumen, aber ich habe gesagt, dass in diesem Haus das Verursacherprinzip gilt. Wer etwas hinschmeißt, räumt es auch wieder weg. So einfach ist das!«
    Ich fühle mich behandelt wie eine Neunjährige. Das Verursacherprinzip. Es wäre witzig, wenn es nicht so traurig wäre. Wer wirft denn seine Wäsche in den Wäschekorb und erwartet sie ordentlich und schön gebügelt zurück im Schrank? Mache nur ich in dieser Familie Dreck – und muss mich deshalb auch darum kümmern? Lächerliche Argumentation, Herr Anwalt. Deshalb steige ich auf die »Verursacherdebatte« gar nicht erst ein. Obwohl ich argumentativ natürlich die besseren Karten hätte. Ich werde ihn bei der nächsten Wäsche ans Verursacherprinzip erinnern … und beim Bügeln … und Putzen …
    »Ich bin zurzeit einfach nicht glücklich. Ich habe das Gefühl, irgendwas ist uns verlorengegangen!«, fange ich mal mit dem großen Ganzen an. Mit dem, was mich wirklich bedrückt. Das sind letztlich ja nicht irgendwelche verschmähten Nudeln. In einer anderen Phase unseres Lebens hätte ich über die Nudelbemerkung gelacht.
    »Was soll uns denn verlorengegangen sein?«, zeigt sich Christoph begriffsstutzig. »Ich meine, Andrea, was erwartest du? Das ist doch romantische Verklärung.«
    Ich unterbreche ihn: »Denk einfach mal darüber nach, und wir reden im Urlaub, wenn wir Zeit haben zwischen deinen Golfverabredungen und Trainerstunden.«
    Die kleine Spitze konnte ich mir nicht verkneifen. Auch er scheint sie bemerkt zu haben. Man kann viel gegen Christoph sagen, aber blöd ist er nicht. Auch wenn er manchmal ein wenig schwer von Begriff scheint, aber ich glaube, das liegt einfach daran, dass er geschickt ausblendet, was er nicht hören will. Meine Golfspitze hat er definitiv gehört.
    »Was soll denn diese Golfbemerkung? Das zum Beispiel nervt mich. Aber nicht nur das. Wir reden im Urlaub.«
    Er ist beleidigt. Wenn er so kurz und knapp antwortet, ist er immer beleidigt.
    »Ich geh schlafen. Falls du noch mal raus musst, nimm wenigstens deine Kreditkarte mit. Ich würde nämlich jetzt gerne ungestört schlafen!«
    Der tut gerade so, als hätte er mich nicht in Weißkirchen-Süd, sondern auf Hawaii abgeholt.
    »Wieso bist eigentlich du gekommen und nicht wie verabredet mein Vater?«, will ich noch wissen, bevor er sich verkrümelt.
    »Weil deine Eltern, die ja um einiges vernünftiger sind als ihre Tochter, hier angerufen haben. Sie fanden es etwas sonderbar, dass du abends in Weißkirchen-Süd an einer Rastanlage stehst. Sie waren, gelinde gesagt, verwirrt.«
    Wie nett von meiner Mutter. Ich sage, dass Christoph nicht da ist, bitte sie um Hilfe, und sie ruft trotzdem bei Christoph an und verpetzt mich. Ich schwöre mir in diesem Moment, so etwas mit meinen Kindern nie zu machen. Wenn sie um meine Hilfe bitten und es mir irgendwie möglich ist, werde ich ihnen helfen und nicht bei ihren Lebenspartnern anrufen. Soviel Loyalität sollte man den eigenen Kindern gegenüber doch

Weitere Kostenlose Bücher