Lackschaden
beruhigt und ich schmiere mich vorsorglich mit Lichtschutzfaktor 25 ein. Das dürfte ja wohl reichen.
Beim Frühstück treffe ich auf Katharina, die Ehefrau von Fritz, die jetzt, bei Tageslicht besehen, noch brauner aussieht. Hat sie die Nacht auf dem Solarium verbracht? Katharina ist ähnlich wortkarg wie gestern Abend und löffelt ihren Obstsalat. Ich starte mit Rühreiern. Mit Tomate und gebratenem Speck. Man hat zwar eine gewisse Esshemmung, wenn man Frauen wie Katharina gegenübersitzt, die, obwohl sie so zart sind, nur ein wenig Obstsalat zu sich nehmen. Aber ich kann die Esshemmung überwinden. Das Büfett ist wirklich großartig, und es wäre schade, nicht zuzuschlagen. Auch ich entscheide mich für Obstsalat, allerdings als Beilage zu einem schönen dicken Pfannkuchen und einem Stück fettgetränktem French Toast.
»Und was hast du heute vor?«, versuche ich so was wie Konversation.
Sie zuckt mit den Schultern.
»Weiß nicht«, antwortet sie. »Lesen wahrscheinlich.«
Keine Gegenfrage, ihr Interesse an einer Unterhaltung scheint gering zu sein. Ich sage auch nichts mehr, obwohl es mir schwerfällt. Nicht, dass ich in Plauderlaune wäre, aber so ein angestrengtes Nicht-Miteinander-Reden stresst mich. Katharina wartet nicht mal ab bis ich fertig bin. Kaum hat sie ihr letztes Löffelchen Obstsalat intus, verabschiedet sie sich.
»Schönen Tag!«, sagt sie nur. Kein Gedanke an irgendwelche Gemeinsamkeiten. Keine Verabredung, kein Wollen-Wir-Zusammen-Mittag-Essen. Nichts von alledem. Das war deutlich. Dann halt nicht. So scharf bin ich auf die Frau von Mister Jaguar auch nicht. Aber obwohl ich sie nicht sonderlich sympathisch finde, ärgert mich ihr Verhalten irgendwie. Ich will gemocht werden. Selbst von Katharina. Ich weiß, das spricht nicht für mein Selbstbewusstsein.
Kaum ist sie weg, habe ich neue Gesellschaft. In einem Club ist man nur allein, wenn man sich in seinem Zimmer befindet oder sich versteckt. Ansonsten ist es eine Art betreutes Reisen. Man sitzt an großen Tischen und überall lauern wahnsinnig gutgelaunte Menschen, die einen ekstatisch begrüßen. Es ist befremdlich, hat aber etwas Ansteckendes. Es gibt nur zwei Möglichkeiten damit umzugehen: Rückzug und verhaltenes Fremdschämen oder Mitmachen und infizieren lassen. Ich entscheide mich für Mitmachen. Was bleibt mir auch übrig? Ich will mich stimmungsmäßig nicht noch mehr runterziehen lassen. Hier eine Woche mit Motzgesicht über die Anlage zu laufen, ist auch nicht gerade eine schöne Aussicht.
»Du«, unterbricht mich eine junge Stimme, »hast du Lust auf Wassergymnastik?«
Lust wäre übertrieben, aber da ich ansonsten keine Pläne habe, willige ich ein.
»In einer halben Stunde im Pool!«, sagt der freundliche junge Kerl begeistert und grinst mich an.
»Ich komme!«, verspreche ich und denke: Mal sehen.
»Und du bist gerade angekommen, oder?«, fragt mich eine Mittvierzigerin in knackigen Hotpants, die mir am Tisch gegenübersitzt. »Ich bin die Lieselotte aus Duisburg!«, stellt sie sich direkt vor.
»Andrea, aus der Nähe von Frankfurt«, antworte ich artig.
Lieselotte und Hotpants. Ein Name kann wirklich alt machen. Da kann man sich mit der Optik noch so viel Mühe geben, wenn man Lieselotte heißt, versaut einem das jedes Anti-Aging-Konzept.
»Wollen wir zusammen zur Wassergymnastik gehen?«, fragt mich Lieselotte.
Jetzt bin ich dran, aus der Wassernummer komme ich nicht mehr raus.
»Fein«, antworte ich deshalb, »wir sehen uns am Pool.«
Erstaunlich, dass ich noch gar nichts von Gaby gesehen habe. Wo die wohl steckt? Dafür, dass sie so großartige Pläne mit uns beiden hatte, bin ich doch überrascht, sie nirgends zu entdecken. Na ja, sie wird schon auftauchen. Nach Christophs Korb und Katharinas abweisendem Verhalten sehne ich mich richtiggehend nach jemandem, der freiwillig und gerne Zeit mit mir verbringt.
Brav stehe ich eine halbe Stunde später im Wasser und versuche, den Anleitungen einer jugendlichen Aquagymnastiklehrerin zu folgen. Sie ist etwa halb so alt wie ich, und wenn sie sich bewegt, sieht man ihre Bauchmuskulatur. Ihr unglaublich dickes braunes Haar hat sie lässig zu einem Pferdeschwanz gebunden, und ich komme mir bei ihrem Anblick vor wie 100 . Bisher dachte ich, Wassergymnastik sei etwas für schlaffe Senioren, die, apathisch auf einer Poolnudel hängend, durchs Becken treiben. Ich habe mich getäuscht. Wassergymnastik, jedenfalls hier und mit dieser durchtrainierten Vorturnerin,
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