Lackschaden
Ausdruck? Aus welchem Jahrhundert stammt der denn? Obwohl ich den Mann peinlich und reichlich unattraktiv finde, bin ich wider Willen doch geschmeichelt. Flotter Feger! Selbst ein solches Kompliment ist eine Art Dünger für mein angeschlagenes Ego.
»Mal sehen«, antworte ich deshalb und gucke nicht mehr ganz so streng.
Als wir nach 45 Minuten aus dem Wasser steigen, bin ich geschafft. Meine Arme brennen und meine Beine sind noch schwerer als sie eh schon waren.
»Zeit für einen schönen Drink. Den haben wir uns verdient!«, beschließt Lieselotte.
Es ist noch nicht mal Mittag. Ein bisschen früh für den ersten Alkohol, denke ich. Ach Scheiß drauf, ist mein nächster Gedanke. Es ist Urlaub.
»Fein!«, sage ich und das kleine weiße Männchen folgt uns.
»Da hast du aber einen richtigen Fan aufgetan!«, flüstert mir Lieselotte zu.
Wir bestellen drei Aperol Sprizz, das neue angesagte Modegetränk, und mein »Fan« zückt sofort seine Clubkarte, um zu bezahlen. Immerhin, er ist kein Geizhals.
»Auf euch!«, prostet er uns zu, als er sein Glas erhebt. »Ich bin der Kurt, ich mach in Hundefutter!«, stellt er sich dann vor.
Er fährt sich mit der Hand durch sein Resthaar und lacht. Lieselotte strahlt ihn an, als hätte er gerade gesagt, er sei George Clooney und habe die Absicht, sich jetzt und hier endgültig fest zu binden.
»Hundefutter – interessant«, antworte ich, obwohl ich mir kaum etwas Langweiligeres vorstellen kann.
Aber genau diese kleinen Sätzchen sind es, die Männer begeistern. Auch Kurt.
Ich weiß gar nicht, warum ich das gesagt habe. Vielleicht weil ich Angst habe, Kurt an Lieselotte zu verlieren? Wie albern. Ich finde diesen Mann nicht mal ansatzweise attraktiv und trotzdem möchte ich, dass er weiterhin auf mich fixiert bleibt. Ich will ihn nicht, will ihn aber auch nicht abtreten.
»Tja, Hundefutter ist tatsächlich eine irre interessante Branche«, legt Kurt los.
Dann folgt eine Abhandlung über Trockenfutter, die Zusammensetzung und als Highlight ein Vortrag über das neue Light-Futter für adipöse Hunde.
»Das ist unser Renner!«, freut sich Kurt und streicht sich dabei gedankenverloren über seinen Bauch.
Ein wenig von seinem Futterverkaufsschlager würde ihm selbst auch nicht schaden. Mir allerdings auch nicht.
»Wahnsinn!«, haucht Lieselotte über den Tisch hinweg und nippt an ihrem Aperol.
»Noch ne Runde, die Damen?«, erkundigt sich Kurt freudig.
Ich winke ab und habe das Gefühl, jetzt schon leicht einen sitzen zu haben.
»Warum eigentlich nicht?«, kichert Lieselotte.
Man muss auch gönnen können, fährt es mir durch den Kopf.
»Na, dann trinkt noch schön einen. Ich glaube, ich gehe mal an den Strand!«, sage ich und stehe auf.
Kurt scheint ein wenig enttäuscht, was mir natürlich insgeheim sehr gefällt, aber er fügt sich in sein Schicksal. Auch er kennt die Devise: Nimm, was du kriegen kannst. Ganz so weit bin ich noch nicht!
Auf dem Weg zum Zimmer treffe ich Gaby.
»Wo hast du denn gesteckt?«, begrüße ich sie freudig.
»Ich war mit beim Golfen für ein Stündchen. Lukas wollte so gerne, dass ich mal seinen Abschlag sehe!«, antwortet sie gutgelaunt.
»Und war’s toll?«, frage ich leicht ironisch zurück.
»Unglaublich!«, sagt sie, ohne einen Hauch von Ironie. »So ein schöner Platz, und die Jungs hatten so einen Spaß. Und der schlägt vielleicht weit, mein Lukas. Phantastisch!«
Da ist sie wieder, die alte Gaby aus der Prä-Pilzphase: Voller Bewunderung für ihren Lukas.
»Wärst du mal mitgekommen, man sitzt auch so hübsch auf der Terrasse. Und der Blick – wunderschön.«
Was für ein Gesülze.
»Ich steh nicht gern nur als Applausfrau neben meinem Gatten!«, schaffe ich mal klare Verhältnisse.
»Ach, du bist immer gleich so absolut. Guck mal, sieh das doch mal so: Das hat mich jetzt zweieinhalb Stunden meines Lebens gekostet und Lukas hat es glücklich gemacht. Das Leben ist ein Geben und Nehmen!«, sinniert sie.
Ja, sicherlich so kann man es sehen. Aber im Geben liege ich eh schon um Längen vorn. Dieses Ungleichgewicht auszugleichen wäre eindeutig Christophs Aufgabe. Oder bin ich ungerecht? Selbstgefällig und jammerig? Immer wieder die gleichen Fragen und immer wieder keine richtigen Antworten. Ich stehe nun mal eher auf meiner Seite und man kann ja wohl kaum erwarten, dass ich die Lage völlig objektiv betrachte.
»Ach Gaby«, seufze ich deshalb, »das ist alles nicht so leicht bei uns.«
»Es ist nie leicht.
Weitere Kostenlose Bücher