Lackschaden
aushalten, wenn ich sehr viel getrunken habe. Außerdem stehe ich auch nicht wahnsinnig auf Michael Jackson.
»Die Shows sind immer richtig toll!«, schwärmt Gaby, aber als sie mein Gesicht sieht, kapituliert sie. »Ist schon okay. Wenn du müde bist, gehen wir einfach morgen Abend zu einer Show. Die haben hier jeden Abend Programm!«
Christoph ist auch dafür, schlafen zu gehen.
»Wir haben eine frühe Startzeit!«, ist sein Argument.
Eigentlich wäre das ein perfekter Abend, um noch ein bisschen Sex zu haben. So als Einschlafhilfe. Was nicht despektierlich gemeint ist. Sex muss ja nicht immer rasend und voller Leidenschaft sein. Es gibt ja auch die eher gemütliche Variante. Wäre als Wiedereinstieg in die Materie vielleicht gar nicht übel.
Wenn unsere Sexpause noch länger dauert, kann ich Christoph verklagen. Hat eine Frau in Frankreich tatsächlich gemacht. Nachdem ihr Mann ihr jeglichen Sex verweigerte, hat sie ihn vor Gericht gezerrt. 10000 Euro hat sie erstritten – die Ehe allerdings wurde daraufhin geschieden. Verständlicherweise. Von beiden Seiten.
Soweit möchte ich es ungern kommen lassen. Allein der Gedanke: Einen Prozess zu führen, um mal wieder Sex mit dem eigenen Mann zu haben! Das ist wahre Demütigung! Ich weiß gar nicht, für wen dieser Prozess peinlicher ist? Möchte man sich öffentlich als die Frau präsentieren, mit der selbst der eigene Mann nicht ins Bett will?
Christoph putzt seine Zähne, und wie er da so in seiner Boxershorts vor dem Waschbecken steht, finde ich ihn süß. Ich umschlinge ihn von hinten und drücke mich an ihn. Einer muss ja mal anfangen. Oder besser gesagt: Eine!
»Du glühst ja förmlich!«, ist sein Kommentar.
Kein Wunder! Mein Körper ist außen verbrannt und glimmt innen nach.
»Ja, das tue ich!«, hauche ich, so verführerisch wie ich kann, in sein Ohr.
»Meine Güte, lass mal los, ich fange sonst direkt an zu schwitzen. Es ist ja schon heiß genug draußen. Ich bin froh, dass die Klimaanlage hier drin geht!«
Wie charmant. Und wie romantisch. Und wie leidenschaftlich. Alles zerstört innerhalb von wenigen Sekunden.
»Das war eine Annäherung! Hey – ich will was von dir!«, versuche ich, die nonverbale Botschaft zu übersetzen.
Wenn dezente Hinweise nicht reichen, dann eben massive. So schwer von Begriff war Christoph früher nicht. Möglicherweise will er meine Hinweise gar nicht verstehen und versucht, sich elegant aus der Affäre zu ziehen.
»Ich bin wirklich müde, Andrea!«, sagt er nur. »Ich weiß sowieso nicht, ob das mit deinem Sonnenbrand eine so gute Idee wäre!«
Fehlt nur noch, dass er Kopfweh hat. Die Sorge um meinen Sonnenbrand finde ich auch etwas albern. Es ist ja immerhin mein Sonnenbrand. Und außerdem wäre er ja wohl meine – und nicht seine – Entschuldigung.
Ich creme mich noch mal komplett ein und verbringe ein bisschen Zeit im Badezimmer, um die Schmach zu verdauen. Aber ich gebe nicht auf! Im Bett robbe ich mich an mein Objekt der Begierde heran. Herr Reimer würde sich mit Sicherheit nicht so bitten lassen, denke ich.
»Du bist total glitschig«, nuschelt Christoph, und es hört sich fast ein bisschen angeekelt an.
Natürlich bin ich glitschig – schließlich bin ich frisch eingecremt. Zu Hause hätte ich Angst vor den Folgen für die Bettwäsche. Hier ist es mir egal. Zum Glück sind hier andere für Themen wie Bettwäsche und Handtücher zuständig. Der Mann an meiner Seite hat seine Beißschiene an. Gegen das nächtliche Zähneknirschen.
»Nimm die mal raus!«, fordere ich ihn auf und deute auf seinen Mund.
Ich hasse dieses Plastikteil. Sexy ist was anderes. Allerdings hasse ich auch das Knirschen. Eine ambivalente Situation. Obwohl Schienenkompromisse leicht möglich sind. Schiene raus – küssen, Sex, das volle Programm, einmal mit allem quasi –, dann, vor dem Schlafen, Schiene wieder rein.
»Los raus damit!«, werde ich ganz deutlich. »Lass uns knutschen!«, quengle ich.
»Andrea, ich schlafe schon fast!«, nuschelt Christoph zurück, und beim Sprechen flutscht die Schiene leicht hin und her. Wirklich nicht sexy.
Davon abgesehen erkenne selbst ich einen Korb, wenn er so riesig ist wie der, den ich gerade eben bekommen habe. Ein Gigakorb. Wahrscheinlich vom Weltall aus zu sehen. So groß, dass er alles verdeckt, zerdrückt und zerstört. Körbe sind generell kein Grund zur Freude – dieser hat etwas ganz besonders Trauriges. Man überwindet sich, gibt sich einen Ruck und man erntet eine
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