Lackschaden
aber energisch. Sie hat nichts Besonderes an, sieht aber trotzdem besonders aus. Das ist die hohe Kunst. Hose, Top, ein paar Ohrringe – fertig. In meinem geblümten Sommerkleidchen komme ich mir im Vergleich wie eine Vorstadt-Liesel vor. Trutschig, moppelig und verbrannt.
»Jetzt lasst uns essen!«, schlägt Lukas vor.
Jetzt und hier an diesem Tisch mit Jaguar-Mann zu essen, erscheint mir extrem heikel. Je länger er mich sieht, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass er sich erinnert. Aber deswegen mit leerem Magen aufs Zimmer zu verschwinden, kommt auch nicht in Frage. Hunger geht immer vor. Außerdem kann ich ihm ja nicht dauerhaft aus dem Weg gehen. Solange ich hartnäckig abstreite, ihn je gesehen zu haben, kann ja eigentlich nichts passieren. Und wie schon Albert Einstein gesagt hat: Inmitten von Schwierigkeiten liegen massenweise Gelegenheiten! Ich nutze also die Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme.
Das Essen ist wunderbar. Bei dem Gedanken täglich an dieses Büfett gehen zu können, hebt sich meine Laune augenblicklich, auch wenn das bedeutet, dass der orangefarbene Bikini in sehr weite Ferne rückt. Wenn ich ab jetzt jeden Abend so reinhaue, werde ich auf dem Rückflug ein Stück Ergänzungssicherheitsgurt brauchen. Ab morgen werde ich mich zügeln und stundenlang Sport treiben. Aber heute brauche ich die Kalorien, um mich zu beruhigen. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, wenn ich nicht selbst für die Nahrungszubereitung zuständig bin. Und zu wissen, dass man nach dem Essen nicht abräumen, Spülmaschine einräumen und ähnliche Dienstleistungen verrichten muss, ist ein zusätzlicher Vorteil. Auch die Nachspeisen sind unglaublich lecker. Ich gehe so oft zum Büfett, dass man denken könnte, ich würde für eine ganze Kompanie das Essen heranschleppen. Aber sobald ich am Tisch sitze, nutzt Fritz die Gelegenheit, mich genau anzuschauen. Man sieht richtiggehend, wie es in seinem Gehirn rattert. Wie er sich wieder und wieder fragt, woher er bloß mein Gesicht kennt. Heute bin ich erstmals fast froh, ein ziemliches Allerweltsgesicht zu haben.
Ich halte den Kopf gesenkt und widme mich der Crema Catalan. Die Unterhaltung ist etwas schleppend. Die Männer reden übers Golfen und Gaby brabbelt einfach munter vor sich hin. Sie macht Pläne für die nächsten Tage. Für Katharina, mich und sich selbst. Katharina wirkt nicht besonders interessiert.
»Ich habe einiges an Literatur dabei, ich werde mich an den Pool legen und lesen!«, gibt sie Gaby dezent einen Korb.
»Und wir zwei, was machen wir, Andrea?«, lässt sich Gaby nicht so schnell den Wind aus den Segeln nehmen. »Wollen wir zu Yoga gehen? Oder zum Spanischkurs? Oder worauf hast du Lust?«, erkundigt sie sich freundlich.
Gaby ist, all meiner früheren Vorurteile zum Trotz, wirklich liebenswürdig. Trotzdem – allein die Vorstellung, eine Woche, rund um die Uhr, mit Gaby zu verbringen, erscheint mir anstrengend. Es gibt wenige Freundinnen, mit denen ich mir das vorstellen kann. Und die große Frage lautet: Ist Gaby eine dieser Freundinnen? Haben die paar Pilze uns so eng zusammengeschweißt?
»Lass uns morgen mal alles erkunden, und dann entscheiden wir!«, sage ich so freundlich wie möglich. Ich bringe es einfach nicht fertig, Gabys Enthusiasmus einen weiteren Dämpfer zu verpassen. Sie kann schließlich nichts für Christophs Verhalten. Wahrscheinlich geht es ihr mit Lukas ähnlich.
»Spielen Sie denn Golf?«, frage ich freundlich bei Katharina nach.
»Ja, aber ich habe meine Sachen nicht mit«, antwortet sie knapp.
Klingt nicht so, als wäre sie darauf aus, freundliche Konversation zu machen.
»Katharina hat Handicap neun! Sie ist die beste Golferin von uns allen!«, teilt mir Christoph mit.
»Toll!«, sage ich und habe keine Ahnung was Handicap neun bedeutet. Ich frage aber nicht nach, schon weil ich keinerlei Lust darauf habe, dass mir Christoph ein weiteres Mal diesen Handicapquatsch erklärt.
Nach dem Essen trinken wir noch einen Absacker an der Bar und Gaby versucht mich zu überreden, die Michael-Jackson-Show anzuschauen.
»Hier gibt’s jeden Abend Programm! Das ist doch phantastisch!«, freut sie sich.
Ich bin nicht ganz so begeistert. Eigentlich wollte ich nicht unterhalten werden, sondern mich selbst unterhalten.
»Ach, Gaby, ich bin ein bisschen müde von der Reise, nach dem Glas gehe ich ins Bett und schlafe mich mal richtig aus«, drücke ich mich vor der Show.
Ich bin kein Fan von Laienshows. Die kann ich nur
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