Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
schrilles Gelächter aus. »Du hast niemals dort gelebt, du hast keine Ahnung, was dort vorgeht. Wenn es keine Magie war, was war es dann? Mitleid? Das wäre das erste Mal, dass ich solche Regungen bei dir entdecke.«
Rastafan rutschte ungeduldig auf der Bank herum. Über Gefühle sprach er nicht gern. Drückte man sie in Worten aus, veränderten sie einen. Ausgesprochene Worte machten sichtbar, was im Innern verschlossen bleiben musste.
»Ich dachte, wir wollten über den Verkauf der Kette reden. Dieser Jaryn ist verschüttetes Wasser, vergossene Milch.«
»Ach, seinen Namen hast du auch behalten?«
»Ja.« Rastafan war sichtlich ungehalten. »Und wenn du es genau wissen willst: Was ich mit ihm getan habe, hat ihm bestimmt nicht gefallen.«
Zahira lächelte spöttisch. »Dann kennst du die Sonnenpriester nicht. – Also gut, reden wir über die Kette: Sie ist sehr wertvoll, aber schwer zu verkaufen. Der Tod haftet an ihr. Ich kenne nur einen Mann, der sie nehmen würde. Orchan, ein Händler aus Margan, der vor keinem schmutzigen Geschäft zurückscheut. Er hat Verbindungen zu allen Nachbarvölkern, selbst zu meinem verlorenen Volk, den Achladiern.«
»Woher kennst du ihn?«
»Das ist unwichtig. Jedenfalls treibt er auch Handel mit Xaytan.«
»Ich könnte selbst hinauf nach Khazrak gehen, wir brauchen ihn nicht.«
»Sie würden dich nicht ins Land lassen und dir schon gar nicht die Kette abkaufen. Sie hassen und fürchten alles und jeden, der aus Jawendor kommt. Orchan kennen sie, sie vertrauen ihm. Und wir müssen ihm vertrauen.«
»Aber er sitzt in Margan!«
»Ja, du musst dir etwas einfallen lassen.«
»Du willst, dass ich zu ihm gehe?«
»Es ist deine verfluchte Kette. Du wirst keinen von den Männern hinschicken. Für dein unkluges Handeln wird niemand den Kopf hinhalten. Du hättest die Kette im Wald vergraben sollen und dafür den Burschen mitbringen. Auf kleinem Feuer gebraten, hätte er uns alle erfreut. Aber es ist nicht mehr zu ändern.«
Rastafan stand auf und steckte die Kette in eine seiner vielen Taschen. Margan war der gefährlichste Ort auf der Welt. Nun schickte ihn seine Mutter dorthin, wo der Vater so grausam gestorben war. Sie war härter als Kieselstein.
»Ich hatte nie vor, andere vorzuschicken«, erwiderte er kalt. »Ich werde nach Margan gehen und mit diesem Orchan verhandeln.«
Rastafan verließ seine Mutter mit zorniger Miene, aber mit gemischten Gefühlen. Er wusste, sie hatte recht. Er hatte sich töricht verhalten. Konnte es möglich sein? War es Magie gewesen, die ihn verzaubert hatte in jenem verfluchten Augenblick? Kurz zuvor, als er den Mann mit dem roten Rock auf dem Weg hatte kommen sehen, hatten ganz andere Gefühle sein Denken beherrscht: Ein Sonnenpriester! Was für ein Fang! Fick ihn und töte ihn! Was war in den wenigen Minuten danach geschehen? Rastafan schüttelte den Kopf, als er langsam auf seine Hütte zuging. Was auch immer ihn daran gehindert hatte, es durfte nie wieder vorkommen. Nicht nur sein Vater, alle Männer in der Bande hatten ein Schicksal hinter sich, das sie mit Margan verband.
Er musste an Eschnur denken, den Sohn eines Bauern aus Ukene. Eine Hungersnot hatte sein Dorf betroffen, Hagel hatte die Ernte vernichtet. Es war ihm sogar gelungen, das Herz eines Torwächters zu erweichen. Im Palast schickte man ihn jedoch zum Sonnentempel, weil die Sache mit dem Hagel in ihre Zuständigkeit fiel. Eschnur wunderte sich darüber, aber er gehorchte. Nachdem einer der Priester dort ihn sehr ungnädig empfangen hatte – er durfte nirgendwo Platz nehmen, um nichts zu beschmutzen – hatte dieser ihm erklärt, die Hungersnot sei selbst verschuldet, weil sie die Götter auf irgendeine Weise beleidigt hätten. Deshalb hätten diese den Hagel geschickt. »Wir beten täglich zu ihnen, halten feierliche Rituale und Zeremonien ab, um die Bevölkerung von Jawendor vor ihrem Zorn zu schützen. Aber ihr Bauern begreift es einfach nicht. Ihr vernachlässigt ihren Gottesdienst, lästert und schmäht sie womöglich und wundert euch hernach, wenn sie euch zürnen. Sei froh, wenn wir euer Dorf nicht zur Strafe niederbrennen. Und nun hinaus mit dir!«
Eschnur hatte daraufhin die Beherrschung verloren und den Priester angeschrien, das sei eine verdammte Lüge. Er wurde aus der Stadt geprügelt und von barmherzigen Leuten, die ihn bewusstlos fanden, gepflegt. Eschnur war nicht nach Ukene zurückgekehrt, er hatte den Weg zu den Rabenhügeln eingeschlagen.
Damals war
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