Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
in Gegenwart dieses geckenhaften Mondpriesters bekam sein Hochmut wieder Nahrung.
Er hörte Caelian hantieren und ärgerte sich über sich selbst, aber nun hatte er bereits getan, als schliefe er. Eine Weile war alles ruhig, bis Caelian plötzlich sagte: »Magst du selbst gemachtes Fruchtmus?«
Jaryn glaubte, sich verhört zu haben. Der Junge war dreist. Selbst Gemachtes aus dem Mondtempel, wer wollte das schon essen? Aber dass er sich das herausnehmen konnte, lag nur daran, dass er – Jaryn – ihm nicht mit den Insignien seiner Würde als Sonnenpriester gegenübertreten konnte. Man hatte ihn gezwungen, als niedriges Geschöpf herumzulaufen, und ihm obendrein eine Laus in den Pelz gesetzt, die ihn zwicken durfte, solange es ihr gefiel. Jaryn überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, von dieser ihm von Anamarna auferlegten Pflicht zurückzutreten, aber da auch Sagischvar und Suthranna, die höchsten Priester im Land, eingebunden waren, war es zwecklos.
Das Fruchtmus roch ziemlich gut, eigentlich geradezu himmlisch. Dazu stellte sich Jaryn das weiße Brot mit der Kruste vor und den milden goldgelben Käse. Er sah jetzt auch den lustigen Vogel vor sich, der eigentlich eine Krähe war, aber im Grunde doch ein hübscher Junge mit den vollen Lippen, den seltenen hellgrünen Augen, ja, wenn er ehrlich war, sogar ein verflucht hübscher Junge. Schlank, braunlockig, und seine Schenkel, die waren wirklich wohlgeformt. Was tat so einer im Mondtempel? Ein vorlautes Mundwerk, ja das hatte er schon, und manchmal bewegte er sich geziert, aber er war – hm, er war eigentlich sehr nett.
Was mache ich jetzt mit dieser Einsicht?, fragte sich Jaryn, eingerollt in seine Decke, sich schlafend stellend. Ich kann mich doch unmöglich mit einem Mondpriester …? Ja was? Mit einem Räuber habe ich mich bereits mehr als eingelassen, ein Mondpriester dürfte nicht viel schlimmer sein. Und Caelian – übrigens ein hübscher Name, der passt zu ihm – sieht gar nicht so aus, als hantiere er mit Molchen oder schwarzen Käfern. Sein Mus jedenfalls riecht nach seltenen Früchten. Selbst gemacht stimmt wohl nicht, sicher haben doch auch die Mondpriester dafür Bedienstete?
Er gab sich einen Ruck und drehte sich um. »Ich nehme etwas von deinem Fruchtmus. Obwohl du mich sicherlich vergiften willst.«
Caelian sagte nichts, er lächelte nur und füllte ihm aus dem Topf etwas in ein Schüsselchen. Jaryn wunderte sich darüber, was er alles in seiner Tasche hatte. Caelian reichte ihm die Schüssel mit einem kleinen Löffel. »Auch Brot dazu?«
»Nein danke, das habe ich selbst.«
Jaryn war Caelian dankbar dafür, dass er schwieg und ihm so den peinlichen Meinungsumschwung erleichterte. »Hast du das Mus wirklich selbst zubereitet?«, fragte Jaryn nach einer Weile.
»Ja. Das mache ich neben meiner anderen Tätigkeit, es macht mir Spaß, und meinen Mitbrüdern schmeckt es. Wir haben auch zwei Köche, aber auf Süßspeisen verstehe ich mich besser.«
»Bei uns ist Kochen eine niedrige Arbeit.«
»Aber warum? Wie kann etwas, das so gut schmeckt, als niedrig bezeichnet werden?«
»Es schmeckt wirklich gut.« Jaryn lächelte verlegen. »Aber das Pflanzen der Fruchtbäume, das Ernten, das Zubereiten, das ist doch Knechtsarbeit.«
»Ja, der eine pflanzt, der zweite erntet, der dritte kocht. Jeder tut das, was er kann. Und was kann ein Sonnenpriester? Nur essen.«
»Aber wir …« Aus lauter Gewohnheit wollte Jaryn protestieren, aber es blieb ihm im Halse stecken. Jedoch mochte er Caelian nicht recht geben und überlegte, was er Kluges erwidern konnte. »Die niederen Leute sind dazu da, die Höherwertigen zu ernähren, zu kleiden und ihnen so zu ermöglichen, ihren edleren Aufgaben nachzugehen. So wie auch die Insekten und Würmer den Vögeln dienen.«
Caelian verzog die Mundwinkel. »Aus welchem Grund bezeichnest du dich denn als höherwertig?«
»Weil ich geweiht wurde.«
»Ich kann auch einen Maulwurf weihen oder einen Bauern. Wird er dadurch so wie du?«
Verdammt! Auf eine spitzfindige Diskussion war Jaryn nicht vorbereitet. Er hatte nie darüber nachgedacht, weshalb er reiner und heiliger war als andere, er war es eben. Und dieses Bild von sich wollte er nicht erschüttern lassen. Leider fiel ihm nichts Gescheites ein, was er dagegen vorbringen konnte. »Achay wählt unter den Menschen diejenigen aus, die ihm dienen sollen. Das tun sie mit Gesängen, Ritualen und Gebeten. Sie haben keine Zeit zum Kochen.«
»Ich glaube, du redest
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