Lady Chatterley (German Edition)
hineinkommen . Man kann nichts machen, wenn man draußen bleibt. Man muß sich den Zugang erzwingen. Wenn man das einmal geschafft hat, geht es immer so weiter.»
«Aber hätten Sie auch anders, außer durch Stücke, Geld verdienen können?» fragte Clifford.
«Oh, wahrscheinlich nein! Ich mag ein guter Schriftsteller sein, ich mag ein schlechter sein – auf jeden Fall aber bin ich Schriftsteller, Bühnenschriftsteller. Das steht außer Frage.»
«Und Sie glauben, daß Sie eben ein Verfasser populärer Stücke sein müssen?» fragte Connie.
«Genau das!» rief er und wandte sich ihr in einer jähen Wendung zu. «Es steckt nichts dahinter! Es ist nichts dran an der Popularität. Und wenn wir davon sprechen, auch nicht am Publikum. Im Grunde ist in meinen Stücken nichts, was sie populär machen könnte. Das ist es nicht. Sie sind eben, wie das Wetter – so, wie es sein muß – für den Augenblick jedenfalls.»
Er wandte Connie seine langsamen großen Augen zu, die in unauslotbarer Ernüchterung ertrunken waren, und sie zitterte ein wenig. Er schien so alt, so unermeßlich alt, schien aus lauter Schichten von Desillusionen zu bestehen, die sich in ihm, Generation auf Generation, übereinandergelagert hatten wie geologische Strata. Und zugleich war er hilflos wie ein Kind. Ein Ausgestoßener in gewissem Sinn; aber mit dem verzweifelten Mut seines Ratten-Daseins.
«Jedenfalls ist es großartig, was Sie in Ihrem Leben schon alles erreicht haben», sagte Clifford nachdenklich.
«Ich bin dreißig … ja, ich bin dreißig!» antwortete Michaelis scharf und jäh, und er lachte dabei auf eine sonderbare Weise: hohl, triumphierend und bitter.
«Und Sie sind allein?» fragte Connie.
«Wie meinen Sie das? Ob ich allein lebe? Ich habe meinen Diener. Er ist Grieche – so sagt er wenigstens – und ziemlich unzulänglich. Aber ich behalte ihn. Und ich will heiraten. O ja, ich muß heiraten.»
«Das klingt, als wollten Sie sich die Mandeln kappen lassen», lachte Connie. «Kostet es denn so viel Überwindung?»
Er sah sie bewundernd an. «Ach, wissen Sie, Lady Chatterley, in gewisser Hinsicht ja. Ich glaube … verzeihen Sie … ich glaube, ich bin nicht imstande, eine Engländerin zu heiraten, nicht einmal eine Irin …»
«Versuchen Sie es mit einer Amerikanerin», warf Clifford ein.
«Oh, die Amerikanerinnen!» Er lachte hohl. «Nein, ich habe meinen Diener gebeten, mir eine Türkin zu beschaffen oder so etwas … eine, die dem Orientalischen näher kommt.»
Connie war ehrlich erstaunt über dies merkwürdige, melancholische Produkt sensationellen Erfolgs. Es hieß, daß er allein aus Amerika ein Einkommen von fünfzigtausend Dollar bezöge. Zuweilen sah er sehr gut aus: wenn er seitlich nach unten sah und das Licht auf ihn fiel, hatte er die stille, ewige Schönheit einer elfenbeingeschnitzten Negermaske, mit seinen sehr großen Augen und den breiten, seltsam gewölbten Brauen und dem reglos zusammengepreßten Mund – diese flüchtige, doch deutlich sichtbare Reglosigkeit, eine Reglosigkeit, eine Zeitlosigkeit, wie Buddha sie anstrebt und wie Neger sie manchmal an sich haben, ohne sie je anzustreben; etwas sehr, sehr Altes, ein Sichfügen in die Rasse. Äonen des Sichfügens ins Rassenschicksal statt unseres individuellen Widerstandes. Und dann ein Hindurchschwimmen – wie Ratten, die einen dunklen Fluß durchqueren. Connie fühlte eine jähe seltsame Welle der Zuneigung für ihn – eine Welle, in der sich Mitleid und Widerwille mischten und die sich fast zu Liebe steigerte. Der Außenseiter! Der Außenseiter! Und sie nannten ihn einen Proleten! Wieviel gewöhnlicher und anmaßender sah Clifford aus! Wieviel törichter!
Michaelis wußte sofort, daß er Eindruck auf sie gemacht hatte. Er wandte ihr seine großen nußbraunen, leicht vorstehenden Augen zu und sah sie gänzlich unbeteiligt an. Er taxierte sie – sie und das Ausmaß des Eindrucks, den er gemacht hatte. Es gab kein Mittel dagegen, daß er unter Engländern der ewige Außenseiter blieb, nicht einmal Liebe half. Aber Frauen vernarrten sich zuweilen in ihn … auch Engländerinnen.
Er wußte sofort, woran er mit Clifford war. Sie waren zwei einander fremde Hunde, denen danach zumute war, sich anzuknurren, die statt dessen notgedrungen mit dem Schwanz wedelten. Aber bei der Frau war er nicht ganz so sicher.
Das Frühstück wurde ihnen in die Schlafzimmer gebracht; Clifford erschien niemals vor dem Lunch, und das Eßzimmer war ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher