Lady Chatterley (German Edition)
triefenden Mäulern verfolgt. Wer sie als erster einholte war der wahre Hund unter den Hunden, wenn man nach dem Erfolg gehen will. Michaelis konnte also den Kopf hoch tragen.
Das Merkwürdige war: er tat es nicht. Zur Teestunde kam er zurück, mit einem Arm voll Veilchen und Lilien und der gewohnten Arme-Sünder-Miene. Connie überlegte sich zuweilen, ob das vielleicht so etwas wie eine Maske sei, um jeglichen Widerstand von vornherein zu entwaffnen – so aufgesetzt wirkte dies Gesicht. Oder war er tatsächlich so ein armer Hund?
Diesen Arme-Hunde-Ausdruck eines selbstzerstörerischen Wesens behielt er den ganzen Abend bei, wenn Clifford auch darunter die eigentliche Unverschämtheit spürte. Connie spürte sie nicht – vielleicht, weil sie nicht gegen Frauen gerichtet war, sondern nur gegen Männer, gegen ihre Anmaßungen und Überheblichkeiten. Die unausrottbare, tiefe Unverschämtheit dieses hageren Burschen – das war es, was die Männer so aufbrachte gegen Michaelis. Allein seine Anwesenheit war eine Herausforderung für einen Mann der Gesellschaft, wie sehr Michaelis sie auch in angenommene gute Manieren kleiden konnte.
Connie war verliebt in ihn, aber sie brachte es fertig, mit ihrer Stickarbeit dazusitzen, die Männer reden zu lassen und sich nicht zu verraten. Michaelis benahm sich vollendet: er blieb derselbe melancholische, höfliche, abgekapselte junge Mann vom Abend vorher. Er war von seinen Gastgebern unvorstellbar weit entfernt, wortkarg ging er auf sie ein, so wie sie es wollten, doch keinen Augenblick trat er aus sich heraus. Connie dachte, er müsse den Morgen vergessen haben. Aber er hatte ihn nicht vergessen. Er wußte nur, wo er stand … draußen, auf dem nämlichen Platz – da, wo die geborenen Außenseiter stehen. Im Grunde bedeutete ihm körperliche Liebe nicht viel. Er wußte, sie würde aus ihm, einem herrenlosen Hund, den jeder um sein goldenes Halsband beneidet, keinen netten Gesellschaftshund machen.
Entscheidend blieb, daß er auf dem Grund seiner Seele wirklich ein Außenseiter, daß er wirklich antisozial war und diese Tatsache innerlich hinnahm, einerlei, wie sehr er nach außen hin auch nach Bond Street aussah. Seine Isolation war eine Lebensnotwendigkeit für ihn; ebenso, wie der Anschein der Zugehörigkeit zur vornehmen Welt eine Lebensnotwendigkeit war.
Aber gelegentliche Liebe, als Trost und Linderung, war durchaus etwas Gutes, und er war nicht undankbar. Im Gegenteil: er war verzehrend, glühend dankbar für ein bißchen natürliche, spontane Güte – fast bis zu Tränen dankbar. Unter seiner blassen, unbeweglichen, desillusionierten Oberfläche schluchzte seine Kinderseele voll Dankbarkeit der Frau entgegen, und er brannte darauf, wieder zu ihr zu kommen; und in seinem Innern, in seiner Ausgestoßenenseele, wußte er, daß er ganz frei bleiben würde von ihr.
Als sie in der Halle die Kerzen anzündeten, fand er Gelegenheit, mit ihr zu sprechen:
«Kann ich kommen?»
«Ich komme zu Ihnen», sagte sie.
«Oh, gut!»
Er wartete sehr lange auf sie … aber sie kam.
Er gehörte zu den bebenden, erregten Liebhabern, deren Höhepunkt schnell erreicht und vorüber ist. Er hatte etwas merkwürdig Kindliches und Schutzloses. Sein ganzer Schutz lag in seinem Verstand und in seiner Gerissenheit, in seinem Instinkt für Gerissenheit, und wenn er damit nicht recht durchkam, schien er doppelt nackt zu sein und wie ein Kind von unfertigem, zartem Fleisch und hilflos zappelnd.
Er entfachte in der Frau wildes Mitleid und Sehnsucht und eine rasende, verzehrende, körperliche Gier. Diese körperliche Gier befriedigte er nicht. Er kam immer sofort und war schnell fertig, kuschelte sich an ihrer Brust zusammen und gewann sich seine Unverschämtheit zurück, und sie lag da, benommen, enttäuscht, verloren.
Doch bald lernte sie, ihn zu halten, bei sich zu halten, auch wenn sein Höhepunkt vorüber war. Und da plötzlich war er großmütig und seltsam potent; er blieb fest in ihr, ihr hingegeben, und sie war tätig – wild, leidenschaftlich tätig, bis sie zu ihrem Höhepunkt kam. Und wenn er die Wildheit spürte, mit der sie sich ihrem Orgasmus näherte, ihrer Befriedigung an seiner harten, aufgerichteten Passivität, durchströmte ihn ein sonderbares Gefühl des Stolzes und der Genugtuung.
«Oh, wie gut!» flüsterte sie bebend und wurde ganz still und klammerte sich an ihn. Und er lag da in seiner Abgeschlossenheit, aber irgendwie stolzerfüllt.
Er blieb diesmal nur drei Tage
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