Lady Chatterley (German Edition)
Angelegenheit und hatte nicht viel zu sagen. Niemand kommt auf den Gedanken, sich zu erkundigen, zu welcher Stunde der und der auf die Toilette geht. Das interessiert niemanden, außer den Betreffenden.
Und so ist es mit den meisten Dingen im täglichen Leben … wie du dein Geld verdienst, oder ob du deine Frau liebst, oder ob du «Affären» hast. Alle diese Fragen betreffen nur den Betreffenden und sind, wie das Aufsuchen der Toilette, für niemand anderen von Belang.
«Der ganze Witz am Sexualproblem», sagte Hammond, ein langer, hagerer Bursche mit einer Frau und zwei Kindern, aber einer viel engeren Beziehung zu seiner Schreibmaschine, «der ganze Witz daran ist, daß es keinen Witz hat. Genaugenommen gibt es gar kein Problem. Wir haben kein Verlangen, einem Mann ins WC zu folgen – warum sollten wir ihm also nachsteigen, wenn er mit einer Frau ins Bett geht? Und darin liegt das Problem. Wenn wir von dem einen nicht mehr Notiz nehmen würden als vom andern, gäbe es kein Problem. Das Ganze ist höchst sinnlos und witzlos; eine Frage deplacierter Neugier.»
«Vollkommen richtig, Hammond! Aber wenn jemand Julia den Hof macht, fängst du an zu brodeln; und wenn er es so weiter treibt, hast du schnell den Siedepunkt erreicht.» … Julia war Hammonds Frau.
«Wieso, natürlich! Genauso würde ich mich verhalten, wenn jemand in die Ecke meines Wohnzimmers uriniert. Alles an seinem Ort.»
«Du meinst also, es würde dir nichts ausmachen, wenn man mit Julia in einem diskreten Alkoven schliefe?»
Charlie May sprach eine Spur höhnisch, denn er hatte ein wenig mit Julia geflirtet, und Hammond war erbost dazwischengefahren.
«Natürlich würde mir das etwas ausmachen. Alles Sexuelle ist eine Privatangelegenheit zwischen Julia und mir; ganz gewiß würde es mir etwas ausmachen, wenn irgend jemand versuchen wollte, sich da einzumischen.»
«Fest steht», sagte der hagere, sommersprossige Tommy Dukes, der viel irischer aussah als der blasse, dickliche May, «fest steht, Hammond, daß du einen ausgeprägten Besitzinstinkt hast und einen ausgeprägten Geltungstrieb und daß du Erfolg haben willst. Seit ich endgültig beim Militär bin, habe ich es ein bißchen verlernt, mich in der Welt zu bewegen, und nun sehe ich, wie übermäßig das Verlangen nach Selbstbestätigung und Erfolg im Menschen ist. Es ist ungeheuer überentwickelt. Unsere ganze Individualität hat diesen Kurs genommen. Und natürlich glauben Männer wie du, daß sie leichter durchkommen, wenn sie die Rückendeckung einer Frau haben. Deshalb bist du so eifersüchtig. Das bedeutet das Sexuelle für dich … ein kräftiger kleiner Dynamo zwischen dir und Julia, der den Erfolg auf Touren bringen soll. Wenn du einmal keinen Erfolg mehr hättest, würdest du flirten – so wie Charlie, der nämlich keinen hat. Verheiratete Leute wie du und Julia, ihr tragt Klebezettel – wie Reisekoffer. Julia ist etikettiert: Mrs. Arnold B. Hammond … wie ein Koffer auf der Bahn, der irgend jemandem gehört. Und du trägst das Schild: Arnold B. Hammond, per Adresse Mrs. Arnold B. Hammond. Oh, du hast ganz recht, du hast völlig recht! Das geistige Leben bedarf eines behaglichen Heims und einer schmackhaften Küche. Du hast ganz recht. Es bedarf sogar einer Nachkommenschaft. Aber alles kommt auf den Instinkt für Erfolg an. Das ist die Achse, um die sich alles dreht.»
Hammond sah ziemlich gekränkt aus. Er war nämlich stolz auf die Integrität seines Geistes und darauf, daß er kein Sklave der Zeit war. Trotzdem suchte er Erfolg.
«Vollkommen richtig, man kann nicht ohne Kleingeld leben», sagte May. «Man muß eine bestimmte Menge davon haben, um leben zu können und vorwärtszukommen … sogar für die Freiheit zum Denken braucht man eine bestimmte Menge Geld, oder der Magen macht einem einen Strich durch die Rechnung. Aber mir scheint, die Sexualetiketts könnte man getrost weglassen. Wir haben die Freiheit, mit jedermann zu sprechen; warum sollten wir also nicht die Freiheit haben, mit der Frau zu schlafen, auf die wir gerade scharf sind?»
«Da spricht der laszive Kelte», sagte Clifford.
«Lasziv! Na schön, warum nicht? Ich sehe nicht ein, wieso ich einer Frau Schlimmeres antue, wenn ich mit ihr schlafe, als wenn ich mit ihr tanze – oder mit ihr über das Wetter rede. Es ist nichts weiter als ein Austausch von Sinnesempfindungen statt von Gedanken. Also warum nicht?»
«Jeder mit jedem, wie die Kaninchen!» sagte Hammond.
«Weshalb nicht? Was
Weitere Kostenlose Bücher