Lady Chesterfields Versuchung
weit gegangen, ihr eigenes Kind zu verletzen, dachte Michael alarmiert. „Sie wollen, dass er Fürst wird.“
Die Viscountess nickte. „Sobald er das ist, gehöre auch ich zum Fürstenhaus, wie es von Anfang an hätte sein sollen.“
Sorgfältig überdachte Michael seine nächsten Worte, denn er wusste, dass es für Karl zu spät war, den Thron für sich zu beanspruchen. Zumal die Fürstin Michael heute Abend offiziell als ihren leiblichen Sohn anerkannt hatte. „Was wollen Sie von mir?“
Lady Brentford verzog die Lippen zu einem kalten Lächeln. „Ich will Ihr Leben im Austausch für das von Lady Hannah.“ Sie öffnete die Tür und sah ihn hasserfüllt an. „Karl wird nicht verlieren, wofür ich so hart gearbeitet habe.“
Hannahs Kehle schmerzte, und ihre Augen brannten. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen war. Sie war dabei gewesen, sich für das Bankett anzukleiden, als sie unvermittelt das Bewusstsein verloren hatte. Das Nächste, was sie wusste, war, dass sie in dieser abgedunkelten Kutsche aufgewacht war.
Ihr gegenüber saß ein Mann und bedrohte sie mit einer Pistole. „Dann sind Sie also endlich aufgewacht? Sehr schön.“
„Wo bringen Sie mich hin?“
Er lachte böse. „Fort vom Schloss. Wenn Thorpe herausfindet, dass man Sie entführt hat, wird er sich umgehend auf die Suche nach Ihnen machen. Schätze, er will nicht, dass so einem hübschen Ding wie Ihnen etwas zustößt.“ Mit der Waffe deutete er in ihre Richtung.
Bestürzt erkannte Hannah, dass Michael irgendwohin gelockt werden sollte, damit man ihn töten konnte. Um ihren Entführer nicht durch weitere Fragen zu provozieren, beschloss sie zu schweigen. Sie fragte sich, ob er im Auftrag von Prinz Karl handelte.
Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf gegen die Innenwand der Kutsche und überlegte. Das zweite Mal wurde sie gegen ihren Willen von einem Mann festgehalten. Bei Belgrave hatte sie sich darauf verlassen können, dass Michael sie rettete, doch dieses Mal war sie auf sich selbst gestellt.
Beruhige dich, ermahnte sie sich im Stillen. Überleg, was du tun kannst.
Zwar hatte man ihr nicht die Hände gefesselt, aber ein Sprung aus der fahrenden Kutsche war trotzdem nicht ganz ungefährlich – womöglich brach sie sich sogar den Hals dabei. Wenn sie andererseits wartete, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, waren ihre Chancen noch geringer. Vermutlich würde man sie spätestens dann fesseln. Und wenn Michael kam, um sie zu retten, würde man zweifellos erst ihn und anschließend sie töten.
Sie sah an ihrem violetten Kleid herunter. Ihre vielen Unterröcke stellten ein Problem dar, denn sie würden bei einer Flucht eher hinderlich sein. Doch wenn es ihr gelang, sich der Petticoats zu entledigen, wäre ihr das Kleid nicht mehr beim Laufen im Wege.
„Wie lange fahren wir noch?“, fragte sie ihren Bewacher.
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Etwa eine Stunde oder so.“
Zwar bestand ein gewisses Risiko, dass er die Waffe auf sie abfeuern würde, aber vermutlich benötigte er Hannah lebendig, damit sie als Köder für Michael von Nutzen war. Wenn sie entkommen wollte, versuchte sie es am besten jetzt.
Sie tat, als lehne sie sich zurück, und schob dabei unauffällig den hinteren Teil des violetten Kleiderrocks über den Po hinauf, sodass sie nicht mehr darauf saß. Von vorne bedeckte das Kleid weiterhin die Unterröcke, und Hannah kam mit den Fingern an die Schnürung der Petticoats heran. Rasch löste sie die Bänder, und ihr Tun blieb dank der Dunkelheit von ihrem Gegenüber unbemerkt.
Nachdem sie den letzten Unterrock gelöst hatte, hielt sie inne und dachte nach. Sie würde den Kutschenschlag öffnen, aus den Petticoats heraustreten und mit einem Sprung aus der Kutsche fliehen müssen.
Kein guter Plan, sagte ihr ihre Vernunft. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie sich in den Röcken verfing und der Länge nach hinschlug.
Sie konnte sich vorstellen, was ihre Mutter dazu sagen würde. „Eine junge Dame würde niemals auch nur darüber nachdenken, die Flucht zu ergreifen. Sie würde die Hände im Schoss falten und dem Tod gefasst ins Auge sehen.“
Entschlossen begann Hannah, die Unterröcke über ihre Hüfte nach unten zu streifen, während sie darauf achtete, dass die Vorderseite des Kleides ihr Vorhaben verbarg und harmlos über ihrem Schoß lag.
Ihr Pulsschlag dröhnte ihr in den Ohren, und bang fragte sie sich, ob ihr Entführer ihn hören konnte. Mit jeder verstreichenden Sekunde schwand ihr Mut, und ihr
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