Lady Chesterfields Versuchung
er.
„Das hoffe ich.“
Sie konnten ihr Gespräch nicht fortsetzen, weil es an der Zeit war, Fürst Georg und Fürstin Anna auf dem Podium Gesellschaft zu leisten. Endlose Ansprachen gingen der offiziellen Ankündigung voraus, doch dann war es so weit. Obwohl der Fürst von zwei Dienern gestützt werden musste, war seine Stimme klar und deutlich, als er Michael als seinen wahren Sohn vorstellte und ihn zum rechtmäßigen Erbprinzen und Thronfolger erklärte.
Michael bekam nicht viel von der Rede des Fürsten mit, da er die ganze Zeit über die Menge im Blick behielt, aus Furcht vor möglichen Gefahren für Hannah. Doch als der Erzbischof vor ihn hintrat, um ihm seinen Segen zu geben, blieb ihm keine Wahl – er musste von Hannahs Seite weichen.
Plötzlich bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Inmitten der Gäste erblickte er Karl, der nur wenige Fuß von ihm entfernt stand. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck hob der ehemalige Prinz eine Pistole.
Michael warf sich schützend über Hannah, als ein Schuss sich löste.
23. KAPITEL
E iner der Diener, die nahe bei Michael gestanden hatten, fiel vornüber aufs Podium. In seinen Händen hielt er ein Messer. Eine Blutlache bildete sich unter seinem Körper, und Hannah erkannte in ihm einen der Bediensteten des Grafen von Reischor. Offensichtlich hatte der Mann den Auftrag gehabt, Michael zu ermorden.
Entsetzt schlug sie sich die Hand vor den Mund. Um sie herum brach Chaos aus, als die Leibwachen Karl umzingelten.
Für Hannah zählte nur, dass Michael nichts geschehen war. „Geht es dir gut?“, fragte sie und umarmte ihn.
„Mit mir ist alles in Ordnung“, erwiderte Michael. „Bleib hier. Ich muss mit Karl sprechen.“
„Er hat dir das Leben gerettet, Michael“, ermahnte sie ihn.
Zärtlich strich er ihr über die Wange. „Keine Sorge. Ich lasse nicht zu, dass ihm etwas geschieht.“
Daraufhin kehrte er auf das Podium zurück und ging auf Karl zu, der seinen Blick fest erwiderte.
Mit angehaltenem Atem blickte die Menge auf die zwei Männer, die beide Söhne des Fürsten waren und einander glichen wie ein Ei dem anderen.
Karl machte Anstalten, sich vor seinem Bruder zu verneigen, doch Michael hinderte ihn daran und streckte ihm stattdessen die Hand entgegen. Indem er Karl diese Ehre zuteilwerden ließ, machte er vor allen deutlich, dass er seinen Halbbruder als Ebenbürtigen betrachtete.
„Es sieht so aus, als schuldete ich dir zum zweiten Mal Dank“, sagte Michael so laut, dass alle ihn hören konnten, und fügte hinzu: „Mein Bruder.“
Einen Monat später
„Du darfst eigentlich gar nicht hier sein“, protestierte Hannah halbherzig, als Michael in ihr Schlafgemach schlich. „Wenn meine Mutter dich entdeckt, wird sie dir eins mit dem Schirm überbraten.“
„Das bezweifle ich. Dafür ist sie viel zu erpicht darauf, dass du in eine Fürstenfamilie einheiratest.“ Er hob ihre Hand, deren Mittelfinger sein Ring mit den Diamanten und Aquamarinen schmückte, den er ihr an ihrem ersten Tag in Lohenberg geschenkt hatte.
„Sie bringt mich noch ins Irrenhaus“, beschwerte Hannah sich, als sie an die Aufregung ihrer Mutter in den vergangenen Wochen dachte.
„Keine Sorge. Mrs Turner wird sie beschäftigt halten.“
Hannah lächelte bei dem Gedanken an Abigail Turner. Sowohl der Fürst als auch die Fürstin hatten ihr verziehen, und sie war in Annas Hofdamentross wieder eingegliedert worden. Weil man wusste, dass sie gelegentlich zu Verwirrtheitsanfällen neigte, hatte man eine Dienerin für sie abgestellt, die sich dann um sie kümmerte. Ansonsten stand Mrs Turner ihr Ehemann Sebastian zur Seite, dem es seinerzeit gelungen war, seinen Entführern zu entkommen. Die vergangenen dreiundzwanzig Jahre hatte er sich im Ausland versteckt. Zufrieden dachte Hannah an den Augenblick des Wiedersehens zurück, in dem sich das ältere Paar so fest umschlungen hatte wie frisch verheiratete Eheleute.
Michael küsste sie innig und voller Leidenschaft, und Hannah war wie berauscht vor Glück. Es fiel ihr immer noch schwer zu glauben, dass dieser wunderbare Mann schon morgen ihr Ehemann werden würde.
„Ich habe heute Morgen mit Karl gesprochen“, sagte Michael, als er sich von ihr löste. „Er schien ein wenig überrascht, dass ich ihm die Ländereien und das Anwesen überantwortet habe. Doch ich dachte, es wäre nur passend, immerhin ist er ja jetzt ein Fürstlicher Berater.“
Hannah nickte verständnisvoll. „Es war nicht seine Schuld, dass
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