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Lady Ghoul

Lady Ghoul

Titel: Lady Ghoul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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allmählich untergehenden Sonne. Es hing mit dem Wasser zusammen.
    Seltsam, dachte Ernie. Er hatte die Hoffnung, Phil jemals lebend wiederzusehen, längst aufgegeben. Es gab keine Beweise dafür, dennoch wußte er es.
    Die blaue Farbe blieb. Sie wirkte langgestreckt, als würde sie die Gestalt eines Riesen nachzeichnen.
    Dann passierte es.
    Aus dem Strudel schoß etwas hervor, das wie ein Stab aussah und ebenfalls blau schimmerte.
    Es war kein Stab, dafür ein Arm.
    Gewaltig streckte er sich in die Höhe, mit einer zur Faust geballten Hand, und er zeigte auch ein Stück von der Schulter. Die glatte, ebenmäßige Rundung.
    Eine Frauenschulter?
    Ernie Balsam besaß für dieses Phänomen keine Erklärung. Da stieg jemand aus der Tiefe, der eine menschliche Gestalt hatte, aber auch ein Mensch war?
    Eine nackte Frau, eine Riesin!
    Balsam wurde der Hals zu eng. Er begriff einfach nicht, wie so etwas möglich war. Dabei dachte er automatisch an seinen Freund Phil, der von der Legende, die sich um eine Celeste rankte, gehört hatte und unter anderem deshalb hier hatte tauchen wollen.
    Ernie hatte ihn stets ausgelacht. Er tat es ab in das Reich der Fabeln, der Märchen — jetzt aber stieg ein Wesen aus den Tiefen des Meeres, das diese Celeste durchaus sein konnte.
    Er sah ihren Kopf, er sah ihr Haar, das bis zu den Schultern reichte. Er sah auch ihre Augen, als sie den Kopf drehte und zum Boot hinschaute. Augen, in denen es rötlich schimmerte. Ein Leuchten wie zwei Laternen. Ein Blick, der gleichzeitig brutal und wissend war. Die Nackte stand nahe dem Felsens als wollte sie sich dort abstützen. Sie hatte beim Hochkommen diesen rasanten Wirbel verursacht. Jetzt beruhigte sich das Wasser allmählich.
    Die Nackte besaß einen makellosen Körper. So etwas wie sie bekam man nur selten zu sehen. Auch Ernie war von ihrem Anblick hingerissen. Celeste lächelte ihn an. Es war ein Lächeln über eine gewisse Distanz hinweg, ein kurzes Zucken der Lippen nur, aber es kam an. Ernie Balsam schrak zusammen. Er schaffte es einfach nicht, das Lächeln zu erwidern. Es kam ihm zu wissend und teuflisch vor. War dieses Wesen eine Frau, oder war es eine zum Leben erweckte Statue?
    Eine Antwort gab sie ihm nicht.
    Dafür drehte sie sich so, daß sie den rechten Arm aus dem Wasser heben konnte. Sie hielt zwischen ihren Fingern, ein Zeichen des Triumphs, eine Beute, ein schauriges Andenken.
    Ein Knochen!
    Ernie sah ihn und schaute zu, wie die Frau die Zähne fletschte und die Lippen zu einem breiten Grinsen verzog.
    Er sah ihr Gebiß. Selbst auf diese Entfernung erkannte er, daß sie mit diesem Gebiß Fleich von Knochen reißen konnte.
    Ein irrer Vergleich, der ihm da in den Sinn gekommen war. Ein Wahnsinn, über den er nicht weiter nachdenken wollte, aber dazu gezwungen wurde. Nahe dieser Gestalt schäumte das Meer noch immer. Es bildete Strudel, rollte gegen den kantigen Felsen, und es brachte etwas mit: einen Gegenstand, ein schauriges Etwas.
    »Das ist nicht wahr!« keuchte Ernie Balsam. Erschlug die Hände vor das Gesicht, weil er nicht mehr hinschauen wollte, aber der antreibende Gegenstand hatte sich bereits zu hart in seine Erinnerung eingegraben, als daß er dieses Bild hätte löschen können. Es war ein Arm gewesen!
    Ein Arm mit einer zur halben Faust gekrümmten Hand. Ein Arm, auf dessen Haut noch Fetzen eines dunklen Neoprenanzugs klebten, den Phil Garner getragen hatte.
    Ernie ließ die Hände langsam sinken. Sein Gesicht glich jetzt einer Maske.
    »Phil…« Ernie flüsterte den Namen seines Freundes. Balsam war ein verdammt harter Bursche, jetzt aber schaffte er es nicht, die Tränen zurückzuhalten. Seine Augen wurden feucht, sie quollen über, die blanken Rinnsale liefen an seinen Wangen entlang, und die Lippen zuckten.
    Phil war tot. Er hatte diese Celeste gefunden und seine Neugierde mit dem Leben bezahlen müssen.
    Die Frau aber, die so gewaltig aus dem Meer gestiegen war, warf sich vor. Dabei hielt sie Phils Arm noch einmal in die Höhe, als wäre dieser ein ungemein wichtiges Beutestück. Im nächsten Moment hatten die Wellen sie verschlungen. Sekundenlang noch zeichnete sich das Blau ihrer Gestalt dicht unter der Wasserfläche ab, dann löste es sich auf. Ernie Balsam stand unbeweglich an Deck. Er starrte auf das Meer, ohne es eigentlich zu sehen. Das Zeitgefühl war bei ihm verlorengegangen. Die Hände umklammerten den oberen Rand der Reling, wie die Fäuste eines Sträflings das Zellengitter.
    Von einem Blick konnte man

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