Lady Marys romantisches Abenteuer
verlangt keinen Verstand, Vater.“
„Nein, aber ich.“ Gereizt trommelte er mit kräftigen Fingern auf der geschnitzten Armlehne aus Mahagoni herum. „Wieso verteidigst du Diana überhaupt? Wie eine verdorbene Dirne hat sie sich bei diesem Lump aufgeführt, als wären ihr guter Name und meiner keinen Penny wert.“
„Sie wollte Sie nicht aufregen, Vater, da bin ich mir sicher“, sagte Mary. „Ich gebe zu, sie handelte verantwortungslos …“
„Oh ja, sie ließ sich von einem gemeinen Stallburschen die Röcke zerknittern“, knurrte er und schlug ärgerlich mit der Hand auf die Armlehne. „Und ich soll nicht das Recht haben, mich darüber aufzuregen?“
„Doch, Vater“, sagte Mary, weil sie aus Erfahrung wusste, dass das immer die sicherste Antwort war. „Natürlich haben Sie das Recht.“
„Warum bereitet mir deine Schwester dann fortwährend solche Schande?“ Wütend stieß er den Stuhl zurück und stand auf. Er wandte Mary den Rücken zu und starrte aus dem Fenster. „Höchste Zeit, dass sie heiratet. Ich bin zu alt für ihren Eigensinn. Sie braucht einen starken jungen Ehemann, der sie übers Knie legt und ihr Gehorsam beibringt. Irgendeinen jungen Löwen, der ihren Willen bricht und sie schwängert. Das ist es, was sie braucht – einen anständigen Gatten und einen Haufen Kinder.“
„Ja, Vater“, bestätigte Mary. „Wenn Diana nur einen Mann fände, den sie von Herzen lieben könnte …“
„Sprich mir nicht von solchem Unsinn, Mary“, erwiderte ihr Vater unwirsch. „Liebe! Das Letzte, was deine Schwester braucht, ist etwas von dieser Verrücktheit.“
„Nein, Vater“, sagte Mary sanft. Sie erinnerte sich, wie groß die Zuneigung ihrer Eltern zueinander einst war. Auch nach vielen Jahren der Ehe waren sie noch verliebt gewesen wie am ersten Tag. Seit dem Tod ihrer Mutter sprach der Vater allerdings nur noch voll Bitterkeit und Verachtung von der Liebe. Und er hegte keine zärtlichen Erinnerungen mehr an ihre Mutter, als wäre ihre letzte, verzehrende Krankheit ein persönlicher Affront gegen ihn gewesen. „Doch wenn sie eine gute Partie in London machen kann, eine, die Ihre Zustimmung findet, dann …“
„Nichts da mit London.“ Er verschränkte die Hände so fest hinter dem Rücken, dass sie eher Fäusten ähnelten. „Wie könnte ich Diana nach so einem skandalösen Benehmen Ihrer Majestät vorstellen?“
„Aber keiner der Gäste hat etwas davon gemerkt“, protestierte Mary. „Der Einzige, der darüber reden könnte, ist dieser Stallbursche. Ich bin sicher, Mr. Robinson wird mit ihm reden, sodass er nicht …“
„Dieser elende Stallbursche hat die nächsten drei Jahre lang Zeit zu bereuen“, bemerkte ihr Vater schroff. „Ich befahl Robinson, ihn den Werbern zu übergeben. So kann er statt meiner Tochter der Marine Seiner Majestät seine Dienste erweisen.“
„Den Werbern, die die jungen Männer zum Militärdienst zwingen!“, rief Mary aus, entsetzt über eine so schwere Bestrafung. „Vater, Sie werden doch wohl nicht auch Diana fortschicken wollen?“
„Wenn es nach mir ginge, würde ich sie im strengsten Kloster einsperren, das ich finden kann“, sagte er grimmig. „Aber du hast mich gebeten, gnädig zu sein, Mary. Also bin ich es.“
„Dann werden Sie ihr vergeben?“, fragte Mary mit neuer Hoffnung. „Sie werden sie nach London mitnehmen? Und auch an den Hof?“
„Ich sagte, ich würde gnädig sein, aber kein Narr.“ Endlich drehte er sich zu ihr um. „Ich werde sie zusammen mit dir ins Ausland schicken.“
2. KAPITEL
Calais, Frankreich
Die kleine Messingglocke oben am Türrahmen schepperte, als Lord John Fitzgerald den Laden betrat, der Dumonts Antiquitäten beherbergte. Er blieb einen Augenblick stehen, bis sich seine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten. Da er schon oft hier gewesen war, wusste John, was ihn erwartete. Er war auf die Düsternis und den Schimmel gefasst und darauf, sich davon nicht täuschen zu lassen. Obwohl Dumont bis in seine krummen alten Knochen Franzose war, war das Ladenschild draußen in englischer Sprache geschrieben. Es sprach für die Schlauheit des Franzosen, dass er um die Bedeutung englischer Besucher für sein Geschäft wusste. Genauso, wie er erkannt hatte, dass sie ehrfurchtsvoll jedes alte Staubkorn für einen Echtheitsbeweis hielten. Seitdem der letzte Friedensvertrag zwischen Engländern und Franzosen unterzeichnet worden war und jetzt Reisen zum Kontinent wieder in Mode kamen, drängten sich
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