Lady Marys romantisches Abenteuer
von keinem von euch. Ich weiß, was ich sehe, und ich weiß, was es ist.“
„Geben Sie nicht Mary die Schuld, Vater.“ Diana zog sich die Röcke herunter und versuchte, ihr Haar glatt zu streichen. „Sie war nur …“
„Ich sage dir das Gleiche wie deiner Schwester, Diana“, sagte Vater scharf. „Keine weiteren Entschuldigungen. Von keiner von euch beiden.“
„Es sind keine Entschuldigungen, Vater“, flehte Mary. „Ich war nur – das heißt, wir waren …“
„Nichts mehr.“ Abwehrend hob er die Hand. „Richtet euer Aussehen her und kommt dann in die Bibliothek. Gleich.“
Er wandte sich auf dem Absatz um und verließ sie. Hinter ihm huschte Miss Wood hinaus in die Dunkelheit. Der Stallmeister packte den Burschen bei den Schultern. Halb zog, halb schob er ihn aus dem Stall.
Mary sah ihre Schwester an. Diana senkte den Kopf. Jetzt war es zu spät für Erklärungen, zu spät für Reue und Zerknirschung.
Alles, was sie noch tun konnten, war gehorchen.
Eine Stunde später saß Mary in der Halle auf der Bank vor der Bibliothek, die Füße eng nebeneinandergestellt, die ineinander verschlungenen Hände in den Schoß gelegt. Diana war als Erste zum Vater hineingegangen. Auch wenn Mary ihre Worte durch die geschlossene Tür nicht verstehen konnte, so hörte sie doch genug, um zu wissen, dass sich Vaters Zorn kein bisschen abgekühlt hatte.
Mary senkte den Kopf, schloss die Augen und hielt sich die Ohren zu, um ihre streitende Familie nicht hören zu müssen. Sie würde schnell genug hereingerufen werden, um sich zwischen den beiden zu stellen. Dann würde sie Vaters Zorn besänftigen und Diana überreden müssen, wieder einmal Besserung zu geloben. Einmal mehr würde sie einen zerbrechlichen Frieden schaffen und die beständig tobenden Wogen in Aston Hall glätten.
Durch die geschlossene Tür war das Klirren von Porzellan zu hören, mit dem anscheinend jemand warf, und Mary zog die Schultern hoch, wie eine Schildkröte, die in ihrem Panzer zurückkriecht. In drei Tagen würde sie nach Frankreich segeln und von alledem hier frei sein.
Nur noch drei Tage …
Die Tür flog auf. „Er ist grausam, Mary, unaussprechlich grausam zu mir und auch zu dir – zu uns beiden!“ Diana sank vor der Bank zu Boden. Sie umklammerte Marys Hand. „Oh, Mary, es tut mir so unendlich leid!“
„Reg dich meinetwegen nicht auf, Diana“, flüsterte Mary, wohl wissend, dass ihr nicht viel Zeit blieb, bis die Reihe an ihr war. „Was ärgerte ihn am meisten? Rasch, sag es mir! Was muss ich sagen, um ihn in bessere Laune zu bringen?“
Aber Diana schüttelte bloß den Kopf. Ihr Gesicht war vom Weinen immer noch gerötet. „Oh Mary, wie kannst du mir je vergeben? Ich wollte mich doch nur ein wenig amüsieren, und sieh nur, was geschehen ist! Denn Vater lässt es uns beide büßen, wenn …“
„Mary, komm“, rief Vater scharf aus der Bibliothek. „Ich weiß, dass du draußen wartest, denn du warst stets gehorsam.“
„Mach dir keine Sorgen. Ich bringe alles wieder in Ordnung“, versprach Mary und drückte noch einmal beruhigend Dianas Hände. Dann glättete sie ihr Kleid, hob den Kopf und ging zu ihrem Vater in die Bibliothek.
„Da bist du endlich, Mary.“ Er saß in seinem mit Leder bezogenen Lehnstuhl. Obwohl schon Witwer, stand er noch in der Blüte seiner Jahre, und sein Bauch unter der Weste aus chinesischer Seide war flach. Wo immer er auftauchte, erklang das nervöse Kichern der Damen, die in ihn vernarrt waren. Anders als die meisten Männer seiner Generation hatte er es vorgezogen, der neuesten Mode zu folgen. Er verzichtete auf Perücken und trug lieber sein eigenes kurzes dunkles Haar, in dem ein paar feine silberne Fäden schimmerten.
Das Erste, was Mary bemerkte, als sie jetzt vor ihm stand, war die dicke Ader, die an seiner Stirn pulsierte. Das war ein schlechtes Zeichen, wie sie nur allzu gut wusste. Er strahlte Enttäuschung und eine tiefsitzende Wut aus. Die warme Nachtluft um ihn herum schien zu vibrieren.
„Wieder hat deine Schwester mir Schande bereitet, Mary“, begann er, und in seiner Stimme lag ein zorniges Grollen. „Dieses Mal kannst selbst du sie nicht verteidigen.“
„Nein, ich will Diana auch gar nicht verteidigen“, erwiderte Mary vorsichtig und suchte nach dem besten Weg, ihn zu beruhigen. „Deswegen bitte ich auch für sie nicht um Verzeihung, sondern um Gnade.“
Er schnaubte entrüstet. „Wirklich, Mary, von dir hätte ich mehr Verstand erwartet.“
„Gnade
Weitere Kostenlose Bücher