Lady Marys romantisches Abenteuer
Scharen englischer Damen und Herren durch Dumonts Laden, mit großen Augen und vollen Geldbeuteln. Nur zu gern waren sie bereit, auf jede Geschichte hereinzufallen, die er ihnen über seine dubiosen Waren erzählte, und für dieses Privileg auch noch zu bezahlen, was er forderte.
John jedoch kannte sich besser aus. Er hatte ein Talent dafür, das Echte vom Falschen zu unterscheiden, und er scheute sich auch nicht, sein Urteil offen auszusprechen. In einem Laden, der seinen Gewinn durch Täuschung machte, ließen ihn seine Augen und sein Wissen zu dem Kunden werden, der Dumont von allen am wenigsten willkommen war: ein englischer Gentleman, der zu gut Bescheid wusste, als dass man ihm das Fell hätte über die Ohren ziehen können.
„Ah, bonjour , Mylord“, grüßte Dumont, stöhnte griesgrämig und verdrehte die Augen. „So sind Sie also zurückgekehrt, um mich aufs Neue zu plagen?“
„Auch Ihnen einen guten Tag, Dumont“, erwiderte John und ließ den Blick auf der Suche nach irgendetwas einigermaßen wertvollem Neuen über das Durcheinander im Laden schweifen. Weil Calais oft entweder die erste oder die letzte Station auf seinen Reisen war, besuchte er häufig diesen Laden. „Ich bin wiedergekommen, weil ich hörte, Sie hätten neue Ware aus Florenz.“
„Wie ein Räuber sind Sie, Mylord. Kommen nur her, um einen armen Mann wie mich zu bestehlen.“
Unter großer Anstrengung schaffte es Dumont, sich aus dem tiefen Sessel hinter dem Ladentisch zu erheben. „Warum lassen Sie mich nicht in Frieden?“
„Weil ich irgendwann einmal in Ihrem Müllberg hier einen wahren Schatz finden werde, Dumont“, erwiderte John unbeeindruckt von der Klage des alten Mannes. Seit mehr als einem Jahr wohnte er nicht mehr in London. Nun hatte er beschlossen, Ende dieser Woche dorthin zurückzukehren. Er brauchte ein kleines Geschenk für die Duchess of Cumberland, eine äußerst treue Freundin. Die Liebelei mit ihr hatte letzten Winter in Rom begonnen und dort auch geendet, in freundschaftlichem Einvernehmen beider Beteiligten. John dachte trotzdem, dass ein kleines Mitbringsel eine hübsche Geste wäre. Ihre Gnaden hatte ihm bereits ihre Unterstützung versprochen, sollte er endgültig nach London zurückkehren. Gott allein wusste, wie nötig er nach diesem entsetzlichen Skandal letztes Jahr mächtige Verbündete brauchte. Nebenbei gesagt, liebte er es, wenn die Damen verliebt hinter ihm her seufzten. Diese Art von Aufmerksamkeit hatte ihm schon immer gefallen.
„‚Mein Müllberg‘. Oh, Sie sind grausam, Mylord, zu grausam.“
Erneut seufzte Dumont und schlurfte heran. Die Arme an den Ellbogen abgewinkelt und die Hände locker über der Brust verschränkt, ähnelte er einem alten Eichhörnchen. „Aber ja doch, ich habe einige neue Stücke. Das Unglück des einen Sammlers, ist das Glück des anderen, Mylord, und so wird es immer sein.“
„Ich hoffe, es ist kein Herr aus meinem Bekanntenkreis“,meinte John höflich. Gemälde und dergleichen wurden oft als Erstes verkauft, wenn ein Gentleman einen finanziellen Rückschlag erlitten hatte. Unter Umständen konnte John das zu seinem Vorteil ausnutzen und die Kunstgegenstände mit Gewinn wieder in London verkaufen.
Er würde sich nicht deswegen schämen. Das brauchten jüngere Söhne nicht, besonders nicht die jüngeren Söhne, die das Pech hatten, als Sechste in der Erbfolge einer irischen Peerswürde mit bankrottem Landsitz geboren worden zu sein. Oh ja, von einem entfernten Onkel erhielt er ein winziges Einkommen und hatte außerdem ziemliches Glück am Spieltisch. Und aus der Not heraus, aber auch aus Neigung, beherrschte er die Kunst der Freundschaft und genoss die Gunst seiner reicheren Freunde – und hin und wieder auch die der Damen. Wenn das Leben ihn nun einmal einen steinigen Pfad erklettern ließ – was machte das schon. Er hatte nur die ungeschliffenen Diamanten zwischen den Steinen erspäht und sie eingesammelt, und was, bitte sehr, war daran verwerflich?
„Ich erhalte mein Angebot aus vielen Quellen, sehr vielen Quellen“, erwiderte Dumont vage. „Sie können von einem Mann meines Alters kaum erwarten, dass er sich an alles erinnert. Sind Sie gekommen, weil Ihnen etwas Bestimmtes vorschwebt, Mylord?“
„Ich möchte mich ein wenig umsehen. Mal sehen, ob mir etwas gefällt.“ Auch John konnte sich vage ausdrücken, wenn er wollte. Er ließ den Blick über die voll gestopften Regale schweifen. Die Duchess of Cumberland war nicht sehr wählerisch,
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