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Lady meines Herzens

Lady meines Herzens

Titel: Lady meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rodale Maya
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machte unwillkürlich einen Schritt nach hinten. Sophie tat einen Schritt nach vorne. Die ganze Zeit trommelten ihre Fäuste auf ihn ein. So bewegten sie sich langsam den Mittelgang hinunter. Wenn Sophie so weitermachte, schaffte sie es vielleicht doch noch zum Altar – indem sie ihren widerstrebenden Bräutigam mit Schlägen vor sich hertrieb.
    Aber nur beinahe.
    Matthew stolperte über den Brautstrauß, den sie vorhin im Gang hatte fallen lassen. Er taumelte rückwärts und streckte suchend die Arme nach etwas aus, um sich daran festzuhalten. Leider erwischte er nur Sophies Schleier, jenes zarte Stück Stoff, das seit Generationen von den Harlow-Bräuten getragen wurde. Matthew riss den Schleier mit; als er fiel, brachte Sophies sorgfältig frisiertes Haar in Unordnung und zerriss das wertvolle, alte Familienerbstück.
    Stille breitete sich in der Kirche aus. Nicht ein Laut war zu hören, vom Eingang bis zu den Kerzen und Blumen am Altar herrschte Schweigen, von den harten Holzbänken bis zum hohen Gewölbe war es völlig still. Bis auf die Schritte, die hinter Sophie erklangen.
    »Sophie, geh beiseite«, rief ihr Bruder Edward. Er marschierte entschlossen auf sie zu.
    »Was hast du vor?«, fragte sie. Er half Matthew auf die Füße.
    Das Krachen, mit dem die Faust ihres Bruders gegen Matthews Gesicht prallte, gab Sophie ebenso Antwort wie das hässliche Knacken von Matthews Kieferknochen.
    Und damit brach um sie herum die Hölle los.
    Edward zog Matthew wieder hoch und platzierte einen zweiten Schlag in seinem Gesicht. Erneut ging Matthew zu Boden. Er fiel gegen den Pfarrer, der nach hinten stolperte und auf Pumpkins Schwanz trat. Die arme Katze jaulte auf und sprang auf die reich verzierte Haube von Mrs Beaverbrooke, die entsetzt aufkreischte und gleich noch einen zweiten Schrei ausstieß, als sie sah, was die Katze mit ihrem Hut angestellt hatte. Die Katze sprang von einem Schoß zum nächsten. Hinter ihr schrien und kreischten die Leute.
    Mrs Harlow fiel in Ohnmacht. Sophies Vater stritt sich lautstark mit Mr Fletcher. Matthews Brüder stürzten sich ins Getümmel, und die Gäste strömten aus den Bänken, um die Schlägerei aus nächster Nähe zu beobachten. Jemand trat auf Sophies Kleid, und sie zuckte zusammen, als sie den Satin reißen hörte. Ein Baby weinte. Der Pfarrer wiederholte andauernd »Beruhigen Sie sich, beruhigen Sie sich alle!«, aber niemand hörte auf ihn.
    Sophie stand ganz allein in ihrem zerrissenen Kleid und mit dem kaputten Schleier abseits. Man hatte sie vergessen.
    »Wenigstens stehst du noch«, sagte Julianna, als sie an Sophies Seite auftauchte.
    Sie waren die besten Freundinnen. Nur ein Monat Altersunterschied trennte sie, und sie waren eine halbe Meile voneinander entfernt aufgewachsen. Sie hatten gemeinsam Laufen und Sprechen gelernt. Manchmal dachte Sophie, dass Julianna sie besser kannte als sie sich selbst. Die Freundin war die einzige Person, die Sophie jetzt brauchte, die Person, die verstand, wie tief dieser Verrat sie traf. Julianna würde wissen, was zu tun war.
    »Ich werde das hier nie vergessen, stimmt’s?«, bemerkte Sophie trocken, während sie beobachtete, wie um sie herum das Chaos tobte.
    »Ich fürchte, sie werden auch in Jahrzehnten noch davon erzählen«, antwortete Julianna in ihrer typisch direkten Art.
    Natürlich würde es Gerede geben. Die Geschichte, wie Matthew sie in der allerletzten Minute sitzen gelassen hatte und daraufhin ein völliges Durcheinander ausgebrochen war, würde sich überall verbreiten. Im Umkreis von vier Grafschaften konnte Sophie sich in keiner Stadt mehr blicken lassen, ohne dass man sie anstarrte, hinter vorgehaltener Hand über sie redete oder abfällige Bemerkungen fallen ließ. Kein Mann band sich freiwillig an eine Frau mit einem solchen Ruf. Und ohne ihren guten, ehrlichen und skandalfreien Namen war eine Frau ein Nichts.
    »Was mache ich denn jetzt bloß?«, fragte Sophie ratlos. Sie hatte tatsächlich überhaupt keine Ahnung. Seit dem Tag ihrer Geburt hatten ihre Eltern sie zu einer einzigen Bestimmung erzogen: Sie sollte heiraten und zwar möglichst gut.
    »Es gibt wohl nur eine Möglichkeit«, sagte Julianna tröstend. Sie hakte sich bei Sophie ein und geleitete sie durch das Gedränge zur Kirchentür. »Du musst mit mir nach London kommen.«

Kapitel 1
    Eine Hochzeit wird fluchtartig verlassen …
    St. George’s Church
Hanover Square, London
Ein Jahr später – 1823
    Es war der letzte Ort, an dem sie jetzt sein wollte.

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