Lady Punk - Roman
stieg durch die Sohlen hinauf, beidseitig und bis hinter die Ohrmuscheln. Der Ohrring, den Terry am linken Ohrläppchen festgeklippt hatte, drückte und Terry zog ihn ab, steckte ihn in die Hosentasche. Das Ohrläppchen schmerzte, jetzt, als das Blut wieder freier floss. Terry rieb es zwischen zwei Fingern und hoffte, die Schmerzen würden aufgehört haben, wenn sie ihr Anliegen der Agentur vortragen würde.
Terry hatte die Jungen gebeten, draußen auf sie zu warten. Sie fühlte sich ziemlich frei und unbeschwert, als sie im Maklerbüro auf eine der Sachbearbeiterinnen zuging. Der weiche Teppichboden kitzelte leicht an den Fußsohlen. So musste es sein, wenn man barfuß über Gras ging. Terry konnte sich nicht erinnern, das jemals ausprobiert zu haben. In diesem Moment nahm sie sich vor, das nachzuholen. Sie dachte so intensiv an eine grüne Wiese, dass sie ganz verwirrt war, als die Angestellte sie nach ihren Wünschen fragte.
»Ich hätte gern ein Zimmer«, sagte Terry, als sie sich wieder gefasst hatte.
»Wir sind kein Hotel«, sagte die Frau und sah dabei auf Terrys Füße.
»Das weiß ich«, sagte Terry. Sie fand die Frau unheimlich dumm.
»Wenn Sie Studentin sind, dann ist es aussichtslos«, sagte die Frau. »Die Leute wollen immer an solide Leute vermieten.«
Die Frau hatte Terry glücklich gemacht. Als Studentin müsste man mindestens noch ein Jahr älter sein als siebzehndreiviertel. Terry fühlte sich sehr wohl. Ihr war, als hätte sie schon öfter solche Gespräche geführt und mindestens jeden Tag ein Zimmer angemietet. Sie verstand, dass es hier auf die Berufsbezeichnung ankam, und ihr fiel ihr rot-violettes Vorbild ein. »Ich bin Künstlerin«, sagte Terry.
»Künstlerin ist kein Beruf«, sagte die Frau. Sie zog aber eine Karteikarte aus ihrer Schublade und nahm einen roten Filzstift aus einer Federschale. »Name?«, fragte sie.
Terry begriff, dass es hier auf einen bestimmten Eindruck ankam. Ihre Füße hatten die Frau anfangs schon so schockiert, dass sie fast ihre Tätigkeit in einem Maklerbüro geleugnet hätte. Terry sagte: »Burger«, Burger , und hasste sich im selben Moment. Jahrelang hatte sie sich mit der Mutter wegen der Aussprache ihres Namens in den Haaren gelegen. Sie hatte den Namen ihres Vaters verteidigt wie ein Heiligtum und nun hatte sie ihn von einer Sekunde zur anderen verraten. Es war ihr unbehaglich zumute, aber sie war mitten im Spiel und sie wollte es zu Ende bringen.
»Vorname?«, fragte die Frau.
»Terry«, sagte Terry.
»Wie schreibt man das?«, fragte die Frau. »Oder ist das kein richtiger Vorname?«
»Doch«, sagte Terry. »Man schreibt es so, wie man es spricht. Mit zwei R und Ypsilon.«
»Terry«, wiederholte die Frau langsam, als sie mit Druckbuchstaben den Namen hinschrieb. »Adresse?«
Terry gab ihre richtige Adresse an und die Frau wurde freundlicher. »Das ist aber eine gute Gegend«, sagte sie.
»Natürlich«, sagte Terry. Sie setzte sich jetzt einfach auf den Stuhl vor dem Schreibtisch der Frau. Sie schlug die Beine übereinander und wippte mit ihrem nackten, staubigen Fuß, den die Frau geflissentlich übersah.
»Sie sind also Künstlerin?«, sagte die Frau. »Das sieht man Ihnen eigentlich auch an. Wirklich. Ich sage immer, Künstler erkennt man von weitem, und bei Ihnen sieht man das. Also wirklich, von weitem.«
Terry nickte ernsthaft dazu. »Ich bin Sängerin«, sagte sie.
»Sängerin«, wiederholte die Frau, als sie schrieb. Die Frau sah so aus, als ob sie sich nicht auskannte, aber Terry kannte sich aus.
Sie sagte: »Ja, in der Gruppe Bananarama .«
»Ach ja«, sagte die Frau und: »Wo wollen Sie denn wohnen?«
»Ich brauche Ruhe zum Üben«, sagte Terry. »Habe ich die freie Auswahl?«
»Sicher«, sagte die Frau. »Aber vorzugsweise vermitteln wir im Zentrum. Und Kreuzberg geht gar nicht.«
»Kreuzberg ist aber in«, sagte Terry. »Schade, dass Kreuzberg nicht geht.«
»Ja, schade«, sagte die Frau. »Ich weiß jetzt aber, was Sie wollen. Etwas Atmosphärisches, nicht wahr?«
Terry hatte den Ausdruck noch nie gehört, aber das passte irgendwie zu Queen of American Heaven und sie nickte. »Ja, genau«, sagte Terry. »Das ist genau das, was ich suche.«
Die Frau suchte in ihrem Karteikasten nach einem Kärtchen und zog schließlich ein abgegriffenes und vom Sonnenlicht gelb gewordenes Kartonstück hervor. Terry wunderte sich, wie das Kärtchen in dem Kasten so vergilben konnte, aber sie fand es sehr atmosphärisch.
Die Frau schrieb
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