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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Stroh, die wie Igelstachel in alle Richtungen zeigten. Er trug ein kariertes Hemd mit langen Ärmeln und eine abgeschnittene Kordhose, die jemand mit groben Stichen umgenäht hatte. Seine Füße steckten barfuß in schwarzen Schnürschuhen. Es schien alles nicht zu ihm zu passen.
    Wie er Terry ansah, meinte sie, dass ein Kind solche Augen nicht haben dürfte. Es waren Erwachsenenaugen, dunkelblau und von solcher Ernsthaftigkeit, dass Terry sich wunderte, wie sie zu jemandem gehören konnten, der fremde Leute mit Tante auf der Straße ansprach.
    Terry hatte aber heute ihren guten Tag. »Okay«, sagte sie. »Welches willst du denn?«
    Der Junge wusste genau, was er wollte. »Dolomiti«, sagte er so rasch, dass Terry den Eindruck gewann, er habe heute nicht zum ersten Mal um Eis gebettelt.
    »Ein Cornetto und ein Dolomiti«, sagte Terry zu dem Imbissmann. Sie reichte dem Jungen das Eis und packte ihres auch gleich aus. Das Papier warfen beide in den dafür bereitstehenden Gitterkorb.
    Der Junge folgte Terry, als sie in Richtung Abbruchhaus ging, wie selbstverständlich. Terry empfand es auch so. Heute wollte sie nicht allein sein, und das schien auch zu klappen, den ganzen Nachmittag schon.
    »Wie heißt du?«, fragte Terry.
    »Josef«, sagte der Junge. Und auch jetzt hatte Terry das Gefühl, dass das alles nicht zu dem Jungen passte, auch sein Name nicht.
    »Ich bin Terry«, sagte sie und Josef sagte: »Ja«, als ob er es schon wusste.
    Vor dem Bretterzaun des Abbruchhauses blieben sie beide kurz stehen. Josef leckte den Rest des Dolomiti fort und warf den Holzstiel auf die Straße.
    Terrys Eis war durchgetropft. Sie musste die restliche Tüte auf einmal in den Mund stopfen. Sie kaute mit vollen Backen und lutschte danach die voll getropften Finger ab.
    Josef ging als Erster hinter den Bretterverschlag und in das Abbruchhaus. »Ich bin oft hier«, sagte er.
    »Ich auch«, sagte Terry, als ob sie mit Josef im Wettbewerb stand.
    Sie lief ein bisschen im Erdgeschoss des Hauses herum. Waschbecken und Badewanne waren schon herausgeschlagen, und auch das schmiedeeiserne Geländer der Treppe, die nach oben führte, baumelte lose herab.
    »Was kann man hier machen?«, sagte Terry und widersprach sich eigentlich selber, denn wenn sie so oft hier gewesen wäre, müsste sie wissen, wozu das Haus gut war.
    Josef malte mit dem Finger Figuren auf die staubigen Fenster. Gesichter, die weinten, und einen vielzackigen Stern. Aber auch dort zeichnete Josef mit Sorgfalt Tränen ein, und seine Bilder waren so seltsam, dass Terry dachte, er sei verrückt.
    Den einzigen Verrückten, den Terry kannte, war der verrückte Herbert, aber dessen Verrücktheit war so offensichtlich, dass man ihm das von weitem schon ansah. Josefs Verrücktheit war anders, stiller, sie kroch Terry unter die Haut.
    Terry setzte sich auf die untere, stark abgelaufene Treppenstufe. Sie erinnerte sich zurück an den Tag mit Tom Wiesner und wieder wurde ihr so unheimlich warm. Eigentlich war nichts Schlimmes passiert an dem Tag, und wenn sie so nachdachte, war es ein bisschen schön gewesen. Sie dachte ganz fest zurück und spürte dasselbe wie an dem Tag, die Arme von Tom Wiesner und sein Gesicht an ihrem. Sie konnte sogar McDonald’s riechen. Nur war heute alles besser als damals, ganz frei und so, als ob es ewig dauern sollte. Terry musste zugeben, sie hatte jetzt Sehnsucht nach Tom Wiesner, und es war so verrückt, dass sie glaubte, sie wäre nicht mehr ganz richtig im Kopf. Vielleicht steckte Verrücktheit an.
    Terry hatte die ganze Zeit über, als sie auf der Treppe saß, die Augen geschlossen gehalten. Jetzt machte sie die Augen auf und sah Josef, den Maler, an. Er war sehr ernsthaft an der Arbeit. Nachdem er die unteren Scheiben mit weinenden Sternen und Gesichtern bemalt hatte, holte er sich zwei der herumliegenden Bananenkisten. Er kippte sie um und stellte sie übereinander, so dass er darauf stehen konnte, und fing an, auf der zweiten Reihe der Fensterscheiben zu zeichnen.
    Terry hatte jetzt stark das Bedürfnis, dieses seltsame Igelhaar von Josef, dem Maler, zu berühren. Sie stand auf und ging hinüber zur Fensterseite. Sie legte ihre Hand ganz leicht auf die abstehenden Haare, und es war ganz anders, als sie erwartet hatte. Obwohl das Haar von Josef wie lauter Stacheln aussah, fühlte es sich sehr weich an und sehr angenehm und überhaupt rundum gut.
    Josef ließ sich in seiner Arbeit nicht stören. Er hatte wohl eine neue Idee bekommen. Jetzt war es ein

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