Lakritze - Thueringen Krimi
probieren?«
Ralph schüttelte hastig den Kopf, nahm einen Teller und beugte sich über eine Schüssel mit Gurkensalat.
»Da kann Frau Ritter mit ihrer Hausmannskost nicht mithalten, was?«, sagte Carla zu Ralph, der in der Schüssel herumstocherte und sich immer wieder umsah. Am liebsten hätte sie ihm zugezischt, er solle wenigstens so tun, als würde er das Essen genießen. Die Gäste, die in der Nähe standen, sahen schon zu ihm hinüber. Carla lächelte beschwichtigend in die Runde und hoffte, dass es nicht zu verkrampft aussah.
Lulu plapperte unentwegt, und im Handumdrehen sah sich Carla von ihr an einen Tisch dirigiert. Hilflos drehte sie sich nach Ralph um, doch sie konnte ihn nirgends entdecken. Vermutlich war er an die frische Luft gegangen. Schulterzuckend ergab sie sich in ihr Schicksal und beschloss, das Beste daraus zu machen und das Fest zu genießen. Eine halbe Stunde später kannte sie sämtliche Familiengeschichten von Braut und Bräutigam, und sie musste zugeben, dass Lulu amüsant erzählen konnte. Mehrmals hatte sie laut auflachen müssen. Jetzt allerdings machte sich der Champagner bemerkbar, und sie bereute, dass sie sich von Lulu hatte drängen lassen, immer wieder ein neues Glas zu leeren.
Wo Ralph nur steckte? Ob er mittlerweile zurückgekommen war? Carla schaute sich um. Ralph war weder am Büfett noch an einem der Tische. Sie knüllte die Serviette zusammen.
Da sah sie Ralph. Er stand in der Nähe des Eingangs und war in ein Gespräch mit einer langhaarigen jungen Schönheit mit Modelmaßen vertieft. Die Kleine sprühte vor antrainierter Dauer-Coolness, und Ralph lächelte sie an. Der Anblick gab Carla einen Stich ins Herz. Abrupt stieß sie ihren Stuhl zurück und marschierte auf die beiden zu.
Irgendwie musste das Hochzeitspaar auf sie aufmerksam geworden sein, denn bevor Carla Ralph erreichen konnte, fasste sie der herbeigeeilte Bräutigam am Arm.
»Was soll das? Lassen Sie mich los.« Carla schaute sich nach Lulu um. Die war jedoch in ein Gespräch mit einem grauhaarigen Herrn vertieft und beachtete sie nicht.
»Sie haben hier nichts zu suchen. Das ist eine geschlossene Gesellschaft.« Er dirigierte sie zum Ausgang.
Das Mädchen an Ralphs Seite guckte neugierig, doch er schien nicht mitzubekommen, was Carla soeben passierte. Er redete auf das Mädchen ein. Im Vorbeigehen schnappte Carla Achteckhaus auf, dann fand sie sich vor dem Restaurant wieder. Sie war den Tränen nah. Während sie sich einfach so vor die Tür setzen ließ, amüsierte sich Ralph mit einem Flittchen.
Kurz darauf tauchte Ralph neben ihr auf. Wenigstens hatte er sie nicht vergessen, sondern war ihr gefolgt.
»Du hättest mir helfen müssen«, murrte Carla.
»Ich habe gar nicht gemerkt, dass man dich hinausgeschmissen hat. Wir hätten uns gar nicht erst in die Feier einschleichen sollen. So etwas ist peinlich.«
Ralph schämte sich. Auf einmal tat er Carla leid. »Ach was.« Sie hängte sich bei ihm ein. »Denk an Prösterchen-Lulu. Die geniert sich vor niemandem. Wenn du so eine in der Familie hast, brauchst du keine Feinde.«
Ralph warf einen Blick zurück in das Restaurant. »Lieber eine Lulu als gar keine Familie.«
Carla schwieg. Sie wusste, dass Ralph keine Angehörigen mehr hatte, doch bislang hatte er nie davon gesprochen, dass er sich nach einer Familie sehnte. Sie selbst hatte zwei Schwestern, beide verheiratet und mit einer Fußballmannschaft von Kindern gesegnet. Ihr genügten die obligatorischen Treffen zu Weihnachten oder an den Geburtstagen im Hause der Eltern. Die restliche Zeit verzichtete sie nur zu gern auf den Trubel und das Durcheinander, das Kinder nun mal mit sich brachten.
Während der Rückfahrt versuchte Ralph, sie in ein Gespräch zu ziehen, doch Carla blieb einsilbig und war froh, dass er es bald aufgab. Sie döste vor sich hin. Der Champagner hatte sie schläfrig gemacht, die Augen fielen ihr zu. Als sie die Pension erreichten, war sie jedoch schnell wieder munter. Das Nickerchen hatte sie erfrischt.
»Ich lege mich hin. Kommst du mit hoch?«, fragte Ralph.
Carla schüttelte den Kopf.
Ralph verzog den Mund, doch er drang nicht weiter in sie.
Carla hatte die Hochzeitsgesellschaft nachdenklich gemacht. Bislang hatte sie den Gedanken an eine Ehe stets von sich gewiesen. Natürlich hatte sie einige Freunde gehabt, hatte sogar schon einmal geglaubt, die große Liebe gefunden zu haben. Dann war vor kaum einem halben Jahr der Unfall passiert, und danach hatte sie sich
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