Lallbacken
kennen. Offenbar hatte die Kanzlerin ein Extrabelüftungsloch im Kopf, eine offene Fontanelle, die sie in die Lage versetzte, jeden Konferenzraum mit klarer Bergluft und den Gummibaum mit frischem Grün zu versorgen, eine private Klimaanlage, die sie befähigte, ihrer Partei knallhart die Richtung zu weisen: »Wir werden Verschwendung und Undurchschaubarkeit im System durch eine Vielzahl von Strukturmaßnahmen verbessern.« Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle tosenden Applaus. Verschwendung und Undurchschaubarkeit verbessern – kein Problem: Das war schon immer ihre Stärke.
Frau Merkel, Anführerin der deutschen Christdemokraten, ist ein zwar fernes, aber großartiges Echo auf den Urknall. Rhetorisch allerdings ist Merkel eher ein armes Mäuschen: »Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt« – sagte sie. Ist das wahr? Wissen das die Verkehrsplaner und die Radfahrer?
Merkel vertiefte ihren Gedanken so: »Man kann mit vielen kleinen Schritten zu einem Ziel kommen, und man kann vielleicht auch mit wenigen großen Schritten zu einem Ziel kommen.« Dieser Satz war so tiefgründig, den hätte auch Mao Tse-tung den mongolischen Bauern an der Grenze zu Tibet ins kleine rote Buch schreiben können. Und unerbittlich dachte Merkel immer präziser: »Bei den kleinen Schritten hat man mehr Trittsicherheit, bei den großen möglicherweise mehr Geschwindigkeit. Dafür läuft man Gefahr, eine ganz falsche Richtung einzuschlagen. Wichtig ist doch nicht die Schrittlänge, sondern dass das Ziel klar ist.« Das leuchtet ein. Und wer einfach liegenbleibt, muss nicht weit reisen.
Nach einer CDU-Klausurtagung sagte Merkel, es sei um »neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit« gegangen. Da musste es also eine alte Gerechtigkeit gegeben haben, die nichts mehr taugte, weil sie zu wenig Freiheit enthielt. Es wäre interessant gewesen zu erfahren: In welcher Tüte oder in welchem Messbecher wollte Frau Merkel Freiheit abfüllen, damit auch schlichtere Leute deren Vermehrung oder Reduzierung überprüfen konnten?
Dieselbe schlichte Herangehensweise fand sich in einem Spiegel -Interview: »Eine Institution wie Guantánamo kann und darf auf Dauer so nicht existieren, es müssen Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit Gefangenen gefunden werden.« Für eine gewisse Zeit konnte man also schon mal einige Geheimgefängnisse haben und ein bisschen foltern, natürlich nur rechtsstaatlich und demokratisch, aber auf Dauer – das ging nun wirklich nicht.
Begeistern konnte auch, was Kanzlerin Merkel, der personifizierte blasse Schimmer, über Barack Obama absonderte: »Es ist, glaube ich, für Amerika eine wirklich große Stunde, auch ein gesellschaftspolitisches Ereignis, dass ein Farbiger jetzt Präsident wird, jemand, der aus einer ganz anderen, eigenen Lebensbiographie kommt.« Sie traute sich nicht, »schwarz« zu sagen, diese farblose Person. Dabei ist sie selbst die »Farbige« – rosa bei ihrer Geburt, kalkweiß vor Angst, grün vor Übelkeit, blau vor Kälte, gelb vor Neid, in der Sonne erst knallrot, dann braun, und als Leiche grau. Und dass der Schwarze aus der eigenen und nicht einer fremden Lebensbiographie – sie könnte auch sagen: Existenz-Vita – kommt, das ist feinstes Lallbackengelalle.
Angela Merkel war auch immer eine energische Mutmacherin, und sie sparte nicht mit harten Imperativen: »Sehen wir die Chance vor dem Risiko, wecken wir die Kraft der Freiheit für Solidarität und Gerechtigkeit.« Oder: »Geh ins Offene, das sage ich heute unserem Land!«
So offen hat noch kein Kanzler die Auswanderung angeheizt.
Ernsthaft zu rügen ist der Hamburger SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, dessen Erscheinen regelmäßig die Frage auslöst: Wer wählt eigentlich immer wieder diesen Unsympath? Gibt es wirklich so viele Doofköppe in Hamburg? Lallbacke Kahrs attackierte die Bundeskanzlerin mit der Bemerkung, der Fisch stinke immer vom Kopf her. Abgesehen von der Unverfrorenheit: Wie konnte er die Bundesregierung einen Fisch nennen? Und Lallbacke Merkel einen Kopf?
All dieses bedenkend, kann es nicht verwundern, wenn auch mal der Eindruck entsteht: Kanzlerin Merkel ist genervt. Oft, wenn sie, nicht größer als ein Besenstiel, mit ihrem putzigen Watschelgang ein Pult erklimmt, wirkt sie gereizt, und zwar weil sie schon wieder eine Meinung zu irgendwas äußern muss. Das ist durchaus verständlich. Was ist das aber auch für eine Zeit, in der eine ältere Dame vor aller Öffentlichkeit eingestehen muss, dass sie »keine
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