Lallbacken
und gewährleisten wenigstens die Erfüllung bescheidenster Wünsche: Für jedes Kind wird ein kindgerechter Betreuungsplatz eingerichtet, Lehrmittelfreiheit wird selbstverständlich sein, Studiengebühren werden verboten, für Arbeitslose, Kranke, Jugendliche und Kinder ist die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs angedacht, eine Krankenversicherung für alle Menschen in Deutschland ist bereits im Endstadium der Planung, in Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wird auf jeden Fall frisch, knackig und gesund gekocht werden. Und das Beste: Durch eine marktgerechte Steuersenkung wird es möglich sein, jedem in Deutschland lebenden Menschen ein seine Menschenwürde sicherndes Grundeinkommen zu überweisen. Ja, das ist schon beeindruckend, was man mit Steuern alles anfangen könnte, wenn man wollte.
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Wirtschaftsministerium: Doch Sorge folgt und nimmersatte Gier dem wachsenden Gewinn (Horaz)
Thomas Morus, der Kanzler Heinrichs VIII. von England, notierte um 1500: »Wenn ich alle Staaten, welche heutzutage in Blüte stehen, betrachte, so sehe ich in ihnen nichts anderes als eine Art Verschwörung der Reichen, die unter dem Deckmantel des Staatsinteresses lediglich für ihren eigenen Vorteil sorgen, und sie denken sich alle möglichen Arten und Weisen aus, wie sie das, was sie mit üblen Künsten zusammengerafft haben, ohne Furcht es zu verlieren, behalten, und wie sie die Arbeit aller Armen um so wenig Entgelt als möglich sich verschaffen, um sie auszunutzen.«
Als der Euro eingeführt wurde, hingen in den Banken Plakate, auf denen der Euro in allen Erscheinungsformen abgebildet war, und darüber stand geschrieben: »Unser Geld«. Damit signalisierten die Banken: Auch nach Einführung der neuen Währung blieben die alten Besitzverhältnisse unverändert. Nur hatte man die große Chance verpasst, die Rückseiten von Münzen und Geldscheinen mit Werbung zu bedrucken. Damit hätte man die Herstellung des neuen Geldes locker finanzieren können.
Wie einflussreich das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ist – von »Macht« sollte man gar nicht erst sprechen – weiß niemand. Es hat relativ wenige Kompetenzen, in den wichtigen Bereichen drängelt sich stets das Kanzleramt vor, und dem Bundeswirtschaftsminister bleibt es vorbehalten, als Grußaugust von Markt und Wettbewerb aufzutreten und systemerhaltende Toasts auszubringen: »Es ist die Aufgabe dieses Hauses, dass es querbeet die Dinge im Auge hat, damit wir in unseren Strukturen bleiben«, beschrieb Minister Brüderle sein schweres Amt.
Und die Strukturen bestimmten: Der Mensch war für die Wirtschaft da und nicht umgekehrt. Darauf bestehen die Herren des großen Geldes, von Allianz oder Aldi, von Bayer oder BMW, die man nur höchst selten zu Gesicht bekommt und die auch nur höchst selten in den Medien als Lallbacken in Erscheinung treten. Sie sind verantwortlich für die ungerechte Verteilung der Güter dieser Welt und was daraus folgt, aber sie übernehmen nicht die Verantwortung dafür. Die schieben sie den Politikern zu, und die Rechtfertigung dafür lassen sie von ihren Funktionären und Experten besorgen. Diese zweitklassigen Karriereristen nennen sich mit Vorliebe »Präsidenten«. Sie sind die Präsidenten von BDA, BDI, DIHK, ZDH und anderen Abkürzungen. Sie vertreten Deutschlands Arbeitgeber, Industrie, Handel und Handwerk, und sie haben gemeinsame Hobbys: mahnen, warnen, fordern, verlangen. Zu allem und jedem äußern sie eine Meinung, auch wenn zum Beispiel eine Fernsehmoderationsamöbe wissen will: »Wie sozial ist die globale Wirtschaft?«
Genauso könnte man fragen: Wie schmackhaft ist Hühnerkacke?
Irrtum und Zweifel sind ausgeschlossen, Nachdenken ist verpönt. Sie haben immer einen ordentlichen Anzug an, ein sauberes Hemd und eine perfekt gebundene Krawatte um den Hals. Alles sehr straff. Diese Präsidenten haben nicht mal in ihren eigenen Kreisen etwas zu sagen. Aber Sie haben vermutlich keine Schuld an ihrer Inkompetenz, denn New Yorker Ärzte haben festgestellt, dass ordentlich gebundene Krawatten nicht nur zu erhöhtem Augeninnendruck und am Ende zur Erblindung führen, sondern dass auch andere Organe oberhalb des Krawattenknotens akut gefährdet sind. Also, intensives Schlipstragen macht gaga, und man kann Politikern, denen das Wohl des Volkes wirklich am Herzen liegt, nur raten, schlipsgewürgten Präsidenten aufmerksam zuzuhören und dann, wenn keine »Sachzwänge« im Wege stehen, möglichst das
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