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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Ich war nicht daran interessiert, von irgendjemand anderem gefunden zu werden. Am liebsten hätte ich sie gefragt, wie derjenige ausgesehen hatte, fürchtete jedoch, endgültig die Kontrolle über meinen Würgereflex zu verlieren, wenn ich zu viel redete. Allein die räumliche Nähe zur Wettbewerbsbühne kam an der Gallenfront nicht sonderlich gut an.
    »Eine große Blonde.«
    Also nicht James. Delia aber ebenso wenig. Seltsam, aber im Moment nicht oberste Priorität.
    Die Frau kritzelte etwas neben meinen Namen. »Sie müssen sich Ihre Teilnahmeunterlagen abholen; dort drüben auf der anderen Seite.«
    Ich hielt mir die Hand vor den Mund und fragte vorsichtig: »Wo kann ich üben?«
    »Wenn Sie sich die Unterlagen geholt haben, gehen Sie weiter den Flur entlang und durch die große Doppeltür auf der …«
    Mir blieb nicht mehr viel Zeit. »Aha. Die Klassenzimmer da drüben?«
    Sie ließ ihre Kinne erbeben. Ich wertete das als ja und schob mich an ihr vorbei. Es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, aber meine Nase fand sich sofort zurecht. Der vertraute Geruch meiner Highschool zerrte an meinen Nerven, obwohl weit und breit kein anderer Schüler zu sehen war. Meine Güte, war ich fertig.
    Meine Harfenhülle klingelte. Das Handy. Ich fischte es heraus und starrte es an. Ein vierblättriges Kleeblatt klebte auf der Rückseite, feucht und frisch. Keines von denen mit einem mickrigen vierten Blatt, dem man sofort ansieht, dass es nur eine Mutation eines dreiblättrigen Exemplars ist. Jedes der vier Blätter war perfekt geformt und ebenmäßig.
    In diesem Moment registrierte ich, dass ja das Handy klingelte. Ich warf einen Blick auf die Nummer, in der Hoffnung, dass es nicht meine Mutter sein möge, und klappte es auf. »Hi«, sagte ich knapp, zupfte das vierblättrige Kleeblatt von der Rückseite und steckte es in die Tasche. Konnte nicht schaden.
    »Oh«, sagte James mitfühlend, der meinen Tonfall sofort erkannt hatte. Obwohl seine Stimme am Telefon ein wenig dünn und knisternd klang, hatte sie die gewohnte beruhigendeWirkung. Die Galle in meiner Kehle sank ein Stück nach unten. »Ich hätte dich eher anrufen sollen, was? Du bist schon im Kotzilla-Stadium.«
    »Ja.« Langsam ging ich auf die Doppeltür am Ende des Flurs zu. »Lenk mich ab,
bitte

    »Tja, ich bin spät dran«, sagte er fröhlich. »Also werde ich den Dudelsack wohl im Auto stimmen müssen und dann ohne Hemd und nur halb angezogen auf die Bühne gestürmt kommen. Ich habe angefangen, Gewichte zu stemmen. Vielleicht geben sie mir Extrapunkte für ein tolles Sixpack, falls meine musikalische Brillanz sie schon nicht vom Hocker reißt.«
    »Wenn du es in deinen Rock schaffst, kriegst du von den Juroren wenigstens einen
Braveheart
-Bonus.«
    »Spotte nicht über den Kilt, Weib. Und? Irgendwelche unterhaltsamen Träume letzte Nacht?«
    »Äh …« James und ich waren zwar nur gute Freunde, trotzdem zögerte ich, ihm davon zu erzählen. Normalerweise waren meine höchst intensiven Träume ein steter Quell der Belustigung für uns. Vorletzte Nacht hatte ich geträumt, ich wäre beim Gespräch mit einer Studienberaterin von Harvard, die bis zum Hals in Käse steckte (Gouda, glaube ich). Die Stimmung des Traums von letzter Nacht hallte noch in mir nach und löste ein recht angenehmes Gefühl aus. »Ich habe nicht gut genug geschlafen, um zu träumen«, erklärte ich schließlich.
    Oh. Der Mond. In diesem Augenblick fiel mir auf, dass ich in diesem Traum den Mond am Tageshimmel gesehen hatte – daher also dieses Déjà-vu-Gefühl. Wie enttäuschend, dass die Erklärung dafür so banal war.
    »Tja, typisch für dich«, sagte James.
    »Delia kommt auch«, erzählte ich.
    »Dann steht heute wohl das schwesterliche Schlammcatchen an, ja?«
    »Nein, eher die ›Mein Kind ist begabter als deins‹-Nummer.«
    »Ätsch«, bemerkte James hilfreicherweise. »Oh, verflucht. Jetzt komme ich wirklich zu spät. Ich muss meinen Dudelsack ins Auto schaffen, aber wir sehen uns bald. Versuch, bis dahin nicht völlig abzudrehen.«
    »Klar. Mach ich«, erwiderte ich. Ich legte auf und verstaute das Handy im Harfenkoffer. Hinter der Doppeltür war eine gedämpfte Kakophonie zu hören. Ich wartete in einer Schlange vor der Ausgabe der Teilnahmeunterlagen, wobei ich mein Instrument schrittweise mit mir zog. Endlich konnte ich den großen Umschlag entgegennehmen und wandte mich ab. In meiner Eile, wegzukommen, geriet meine Harfe gefährlich ins

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