Land aus Glas
Problem.
»He, Pekisch …«
»Laß dich nicht ablenken, mein Sohn, sonst finden wir dieses Loch nie!«
»Nur das eine, Pekisch …«
»Was denn?«
»Welche Geschichte war es denn?«
»Es war die Geschichte von Hiob, von Hiob und dem Herrn.«
Sie lassen das Rohr nicht aus den Augen, halten nicht an, gehen langsam weiter, Schritt für Schritt.
»Es ist eine wunderschöne Geschichte, nicht wahr, Pekisch?«
»Ja, es ist eine wunderschöne Geschichte.«
Es war drei Uhr morgens, und die Stadt lag erstickt im Teer ihrer Nacht. Im Schaum ihrer Träume. In der Scheiße ihrer Schlaflosigkeit. Und so weiter.
Marius Jobbard aber saß am Schreibtisch/Licht einer Petroleumlampe/kleines Studierzimmer im dritten Stock in der Rue Moscat/längsgestreifte Tapeten in grün und beige/Bücher, Urkunden, kleiner David in Bronze, Globus aus Ahornholz Durchmesser ein Meter einundzwanzig/Porträt eines Herrn mit Schnauzbart/noch ein Porträt derselbe Herr/abgenutzter Fußboden und speckiger Teppich/Geruch nach Staub, Tabak und Schuhen/Schuhe, in einer Ecke, zwei Paar, schwarz, erschöpft.
Jobbard schreibt. Er ist etwa dreißig Jahre alt und schreibt den Namen des preußischen Akademikers Ernst Holtz auf einen Briefumschlag, den er gerade versiegelt hat. Dann die Adresse. Er trocknet die Tinte mit dem Löscher. Er prüft den Umschlag, legt ihn zu den anderen an die rechte Schreibtischkante. Er sucht zwischen den Papieren nach einem Zettel, findet ihn und überfliegt die sechs Namen, die untereinander darauf stehen. Er macht einen Strich durch den Namen des erlauchten Professors Ernst Holtz. Er liest den einzigen Namen, der noch übrig ist: Mr. Pekisch – Quinnipak. Er holt Mr. Pekischs Brief hervor, der merkwürdigerweise auf die Rückseite eines Stadtplans des besagten Quinnipak geschrieben ist, und liest ihn durch. Langsam. Dann greift er zu Papier und Feder. Und schreibt.
Sehr geehrter Mr. Pekisch,
wir haben Ihren Brief mit den Ergebnissen Ihres letzten Experiments zur Schallübertragung mit Hilfe von Metallrohren erhalten – Ergebnissen, die Sie kleinmütig als unerfreulich bezeichnen. Leider ist Professor Dallet derzeit außerstande, Ihnen persönlich zu antworten. Entschuldigen Sie bitte, daß diese Zeilen daher in bescheidener Form von dem Unterzeichneten Marius Jobbard, dem Schüler und Sekretär des erlauchten Professors, stammen.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich Ihnen mitteilen, daß Professor Dallet bei der Lektüre Ihres Briefes Unmutsäußerungen und deutliche Anzeichen von Unduldsamkeit nicht verhehlte. Er bezeichnete die Tatsache, daß die Rohre einfach so auf eine Wiese gelegt wurden, als »unverzeihliche Naivität«. Sie werden sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Schwingungen der Luftsäule, wenn die Rohre nicht vom Erdboden isoliert sind, schließlich von der sie umgebenden Masse absorbiert werden und sie dadurch schnell abklingen. »Die Rohre auf die Erde zu legen ist, als wollte man Geige mit einem Dämpfer spielen« – das waren Professor Dallets Worte. Er hält es auch (wortwörtlich) für einen kindischen Notbehelf, die Rohröffnung mit den Händen zuzuhalten, und fragt sich, warum Sie denn nicht, wie es die Logik gebietet, ein Rohr verwendet haben, das genauso breit ist wie Ihr Mund, was naturgemäß ermöglicht, die ganze Kraft der Stimme auf die Luftsäule zu übertragen. Bezüglich Ihrer Theorie über ein »Selbsthorchgerät« darf ich Ihnen mitteilen, daß Ihre Mutmaßungen über die Beweglichkeit des Schalls verglichen mit den Theorien Professor Dallets deutliche Divergenzen auf weisen. Divergenzen, die der erlauchte Professor mit einer Bemerkung zusammenfaßte, die Ihnen in ihrem vollständigen Wortlaut wiederzugeben ich die Pflicht habe, nämlich »Dieser Mann ist nicht bei Trost«. Dieser Mann – dies sage ich nur, um die Eindeutigkeit meines Berichts zu wahren – wären dabei Sie.
Da Professor Dallet sonst nichts zu Ihrem freundlichen Schreiben gesagt hat, wäre meine bescheidene Aufgabe ah Sekretär an dieser Stelle beendet. Gestatten Sie mir nichtsdestotrotz – und obgleich ich meine Kräfte mehr und mehr schwinden fühle –, noch einige Zeilen rein privater Natur zu ergänzen. Ich glaube, hochverehrter Mr. Pekisch, Sie sollten Ihre Experimente weiterführen, sie sogar intensivieren und dahin gelangen, sie so gut und befriedigend wie irgend möglich zu gestalten. Denn was Sie schreiben, ist absolut genial und, wenn mir die Formulierung
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