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Land aus Glas

Land aus Glas

Titel: Land aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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Kathedralen der Wissenschaft und ihren Aposteln, beschreiten Sie doch den leuchtenden Pfad einer neuen Menschlichkeit.
    Verlassen Sie ihn nicht!
    Ich weiß mit Bestimmtheit, daß ich Ihnen nicht mehr nützlich sein kann, und dies gehört zu den nicht unwichtigen Dingen, die meine Momente jetzt mit Traurigkeit erfüllen. Ich verabschiede mich mit dem Bedauern von Ihnen, Sie nicht persönlich kennenlernen zu können, und in der Hoffnung, daß Sie mir glauben, 
    herzlichst Ihr
    Marius Jobbard
     
    P.S. Leider ist Professor Dallet nicht in der Lage, Ihre freundliche Einladung zu dem Konzert anzunehmen, das das von Ihnen geleitete Orchester zu dem Fest am 26. Juli in Quinnipak veranstaltet. Die Reise wäre sehr lang, und der Professor hat zudem nicht mehr seine einstige Frische. Er bittet Sie vielmals um Entschuldigung.
    Mit freundlichen Grüßen
    M. J.
     
    Ohne den Brief nochmals durchzulesen, faltete Marius Jobbard ihn zusammen und steckte ihn in einen Umschlag, auf den er die Adresse von Mr. Pekisch schrieb.
    Er trocknete die Tinte mit dem Löscher und schraubte das Tintenfaß zu. Dann nahm er die fünf Briefumschläge, die an der rechten Schreibtischkante lagen, fügte den für Mr. Pekisch hinzu und stand auf. Er ging langsam aus dem Zimmer und stieg mit sichtlicher Mühe die drei Treppen hinunter. Als er an die Portierstür kam, legte er die Briefe davor. Sie lagen akkurat übereinander, alle in einer akkuraten Schrift liniert und alle hier und da durch unverhoffte Blutflecken sonderbar gezeichnet. Neben die Briefe legte Jobbard einen Zettel:  
    Mit der Bitte um schnellstmögliche Zustellung. M. J.
     
    Wie vorauszusehen war, stieg der junge Schüler und Sekretär von Professor Dallet die drei Stockwerke langsamer und mühsamer hinauf, als er sie heruntergekommen war. Er kehrte in das Büro des besagten Professors zurück und schloß die Tür hinter sich. Das Zimmer drehte sich um ihn, und er mußte eine Weile warten, bevor er zum Schreibtisch gehen konnte.
    Er setzte sich.
    Er schloß die Augen und ließ seinen Gedanken ein paar Minuten freien Lauf.
    Dann griff er in seine Jackentasche, nahm das Rasiermesser, das er dort wußte, heraus, klappte es auf und schnitt sich mit einer präzisen, sorgfältigen Bewegung die Pulsadern auf.
    Eine Stunde vor Sonnenaufgang entdeckte die Polizei in einer Dachstube der Rue Guenegaud den leblosen Körper Professor Dallets. Er lag splitternackt auf dem Boden, der Schädel war von einem Revolverschuß durchbohrt. Wenige Meter von ihm entfernt fanden die Ermittler die Leiche eines jungen, etwa zwanzigjährigen Mannes, der später als Philippe Kaiskj, Student der Rechtswissenschaft, identifiziert wurde. Sein Körper wies mehrere Verletzungen von einer Hiebwaffe auf und eine tiefere Wunde am Bauch, der wahrscheinlich die eigentliche Todesursache zuzuschreiben war. Wie der Polizeibericht gewissenhaft vermerkte, konnte man den Körper »nicht direkt als nackt bezeichnen, da er mit einigen Stücken zarter Damenunterwäsche bekleidet war«. Der Raum wies deutliche Spuren einer heftigen Rangelei auf. Der Tod von Professor Dallet sowie auch der von Herrn Kaiskj wurde auf die Zeit um Mitternacht des vorangegangenen Tages datiert.
    Die Bluttat erschien auf der Titelseite sämtlicher Zeitungen der Hauptstadt. Allerdings nicht für lange. Für die Ermittler war es nämlich ein leichtes, in der Person von Marius Jobbard – Professor Dallets Sekretär und, zusammen mit Herrn Kaiskj, ein Bewohner der Dachstube, in der sich das Drama abgespielt hatte – den Täter des grausamen Doppelmordes auszumachen. Das Beweismaterial, das in der kurzen Zeit von nur vierundzwanzig Stunden gegen ihn zusammengetragen wurde, erwies sich als erdrückend. Allerdings hinderte ein unerfreulicher Umstand Justitia daran, ihres Amtes bis zur letzten Konsequenz zu walten: Marius Jobbard wurde in Professor Dallets Büro im dritten Stock eines Hauses in der Rue Moscat tot aufgefunden. Verblutet. Zu seinem Begräbnis erschien niemand. 
     
    Pekisch bekam merkwürdigerweise zunächst die Zeitungen, die von der schrecklichen Geschichte berichteten, und dann erst den Brief von Marius Jobbard.
    Natürlich rief das einige Verwirrung bei ihm hervor und auf den zweiten Blick ein paar Betrachtungen über die Relativität der Zeit, die zu systematisieren er niemals Gelegenheit hatte, wie es die Logik einer kurzen, aber prägnanten Abhandlung gebieten würde.
    »Was ist passiert, Pekisch?«
    Pehnt stand auf einem Stuhl. Pekisch

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