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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schon hinaus.
    Die hölzerne Tür des Blockhauses fiel hinter ihm zu. Schneidende Kälte empfing ihn, aber der Wildfänger war die raue Witterung der Berge gewohnt. Im Laufschritt setzte er über die steil abfallende Bergwiese auf den Wald zu, der sich im Halbdunkel abzeichnete und aus dem ein weiteres furchteinflößendes Heulen drang. Diesmal jedoch sang der Wolf sein schauriges Lied nicht zu Ende. Jäh ging es in jämmerliches Winseln über und verstummte schließlich ganz; statt seiner war ein Knurren zu vernehmen, wie Alphart es noch nie zuvor vernommen hatte. Kein Tier im ganzen Wildgebirge gab solche Laute von sich.
    Der Jäger beschleunigte seine Schritte. Dabei fühlte er, wie Furcht nach seinem Herzen griff, die Angst um seinen Bruder. Keuchend erreichte er den Saum des Waldes, brach durch das Unterholz und drang in das Halbdunkel ein, das zwischen den Bäumen herrschte.
    Seine Augen brauchen einen Moment, um sich an das spärliche Licht zu gewöhnen. Aber wie alle Wildfänger hatte Alphart ausgeprägte Sinne, die denen der Tiere oft nur wenig nachstanden. Seine Augen, scharf wie die eines Falken, spähten in das Dunkel und erkannten im weichen Waldboden Spuren. Es waren die Abdrücke von Bannharts Stiefeln, noch frisch und nur einen Fingerbreit tief, was darauf schließen ließ, dass er nicht mit Beute beladen gewesen war.
    Alphart folgte der Spur ins Dickicht, ungeachtet der Gefahr, die dort lauern mochte. Das Heulen der Wölfe war verstummt, ebenso wie das grässliche Knurren. Was hatte das zu bedeuten?
    Der Wildfänger gelangte kurz darauf auf eine Lichtung. An diesem Ort hatten sein Bruder und er vor zwei Tagen eine Falle aufgestellt. Die Falle war leer, aber aus der dunklen Blutspur, die sich durch den frisch gefallenen Schnee zog, schloss Alphart, dass die Vorrichtung ihren Zweck erfüllt hatte. Bannhart musste die Beute mitgenommen haben, denn jenseits der Lichtung waren die Abdrücke seiner Stiefel deutlich tiefer.
    Den Blick auf den Boden gerichtet und dabei aufmerksam lauschend ging Alphart der Spur nach. Er passierte eine weitere Falle und durchquerte einen Wildbach, dessen Wasser eisig kalt vom Gipfel des Dáicol stürzte. Auf der anderen Seite setzte sich die Fährte fort und führte zu einer weiteren Lichtung. Dort entdeckte der Jäger etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Es war ein Wolf, vermutlich der, dessen klägliches Heulen Alphart gehört hatte. Verendet lag das Tier auf der Lichtung, und es war klar, dass kein Jäger es getötet hatte.
    Zwar gehörte es zum Handwerk eines Wildfängers, Tiere zu töten, um ihre Felle oder Häute und ihre Knochen zu verkaufen. Aber all jene, die entlang des Wildgebirges jagten, empfanden auch eine tiefe Ehrfurcht vor der Schöpfung, und es gab Regeln, die kein aufrechter Jägersmann je brach. Ein Wildfänger tötete niemals grundlos oder um des bloßen Vergnügens willen – aber genau das war geschehen.
    Der Wolf war entsetzlich zugerichtet. Etwas hatte dem Tier den Bauch aufgefetzt und die Eingeweide herausgerissen. Zudem war das Rückgrat des Wolfs gebrochen, sodass er in unnatürlicher Haltung gekrümmt im blutigen Schnee lag. Alphart erinnerte sich an das jämmerliche Winseln, das er gehört hatte, und er empörte sich gegen den Frevel. Noch ehe er sich jedoch fragen konnte, wer ihn begangen hatte, zerriss ein gellender Schrei die unheimliche Stille – und voller Entsetzen erkannte Alphart die Stimme seines Bruders.
    »Bannhart…?«
    Ein zweiter Schrei folgte, voller Qual und Pein – und der Wildfänger begann zu laufen. Ohne Zögern drang er in das Unterholz ein und lief in die Richtung, aus der die Schreie gekommen waren.
    »Bannhart!«, rief er dabei mit heiserer Stimme. »Wo bist du?«
    Er achtete nicht darauf, dass ihm tief hängende Äste mit ihren kahlen Zweigen das Gesicht zerkratzten. Mit fliegenden Schritten setzte der Jäger durch den dunkelnden Wald, zog noch im Laufen einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Sehne des Bogens – und im nächsten Moment erblickte Alphart seinen Bruder.
    Bannhart war nicht allein.
    Mit dem Rücken stand er vor einer alten Buche, die Axt in den Händen und aus einer Stirnwunde blutend. Sein Umhang war zerrissen, seinen Bogen hatte er weggeworfen. Fünf garstige Kreaturen umringten ihn – Wesen, wie Alphart sie noch nie zuvor gesehen hatte.
    Sie hatten gedrungene Körper, die in zottigen Fellen und rostigen Kettenhemden steckten. Ihre kräftigen Arme liefen in

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