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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Wäldern… dürsten nach Blut… ins Tal hinab… Leute warnen…«
    »Du wirst mit mir kommen«, sagte Alphart verzweifelt.
    »Nein, Bruder!« Die von Schmerz gezeichneten Züge Bannharts versuchten ein Lächeln. »Nicht dieses Mal.«
    »Ich werde dich tragen.«
    »Nein… noch mehr Erle kommen… bin nur eine Last für dich…«
    »Unsinn, Bruder, ich…«
    »Meine Reise endet, Alphart – deine hat erst begonnen…«
    Die bärtigen Züge Bannharts verzerrten sich in heftigem Schmerz, und der Jäger tat einen letzten keuchenden Atemzug. Im nächsten Moment entkrampfte sich sein gepeinigter Körper, und das Leben war aus ihm gewichen.
    Einen Augenblick lang kauerte Alphart am Boden und starrte auf den blutbesudelten Leib seines Bruders, weigerte sich zu begreifen, was geschehen war. Erst nach und nach sickerte die schreckliche Erkenntnis in sein Bewusstsein, und in einem heiseren Schrei brüllte Alphart seinen Schmerz und seine Trauer in die beginnende Nacht. Bannhart war nicht nur sein Bruder gewesen, sondern alles, was ihm von seiner Familie geblieben war. Sie waren unzertrennlich gewesen von Kindesbeinen an. Eine Welt ohne ihn konnte sich Alphart nicht vorstellen.
    Der Schrei gellte durch den nächtlichen Wald und stieg zum dunklen Himmel auf, schreckte die Vögel aus den Bäumen – und wurde schaurig erwidert. Von jenseits der Tannen und moosbewachsenen Felsen drang eine Antwort – grausiges Kriegsgeheul, das Alphart durch Mark und Bein fuhr.
    Noch mehr Erle…
    Bannhart hatte recht gehabt. Etwas hatte die grausamen Kreaturen aus den finsteren Schluchten von Dorgaskol getrieben, wo sie sich jahrhundertelang verborgen gehalten hatten. Fast hatte die Zeit sie vergessen, und unvorsichtige Gemüter hatten sie ins Reich der Legenden verwiesen. Aber es gab sie wirklich – und sie waren zurück.
    Erneut ein Kriegsschrei, näher diesmal. Und Alphart konnte spüren, wie der Boden des Waldes unter dumpfen Schritten erbebte. Die Erle waren auf dem Weg zu ihm, hatten seine Witterung aufgenommen.
    Indem er ein ebenso kurzes wie stilles Gebet zum Schöpfer richtete, nahm Alphart Abschied von seinem Bruder. Er schloss ihm die Augen und küsste ihn auf die Stirn, segnete ihn für seine Reise in die Ewigkeit. Dann – und das Herz wollte ihm dabei fast zerreißen – erhob er sich und nahm Bannharts Axt und Bogen an sich, benommen von Schmerz und Trauer. Erst als er knackende Zweige und ein leises Knurren vernahm, verließ er die Lichtung.
    Alphart begann zu laufen, so schnell seine Beine ihn trugen. Mit scharfem Blick fand er den Weg durch die Dunkelheit, schlängelte sich zwischen den Stämmen uralter Fichten und Ahornbäume hindurch und kämpfte sich durch das Unterholz. Im Laufen fiel ihm auf, dass es still geworden war im Bergwald. Die nächtlichen Geräusche waren verstummt, selbst die Tiere schienen den Atem anzuhalten angesichts des Bösen, das in ihre Welt eingefallen war. Über bemooste Felsen, die glitschig waren vom frisch gefallenen Schnee, gelangte Alphart zu einem Bach, an dem Bannhart und er oft ihren Durst gestillt hatten, wenn sie gemeinsam auf der Jagd gewesen waren. Auch diesmal ließ sich Alphart nieder und trank einige Schlucke, aber das Wasser schmeckte schal und bitter, als hätte die Nähe der Erle es vergiftet.
    Der Wildfänger wusste nicht, wie gut die Unholde im Spurenlesen waren, aber er wollte kein unnötiges Wagnis eingehen. Kurzerhand sprang er in das Bachbett und watete ein Stück stromaufwärts, um seine Fährte zu verwischen^ Oberhalb des Waldes verließ er den Wasserlauf. In der Nähe gab es einen Felsvorsprung, den Alphart »Wolfsfelsen« nannte, seiner an einen Tierschädel erinnernden Form wegen. Der Jäger stellte sich auf die vorderste Kante und schaute hinab ins Tal, während eisiger Nachtwind sein Haar flattern ließ und an seinem Umhang zerrte.
    Unter ihm wand sich der Ostfluss und schlängelte sich durch das Tal, umrahmt von schneebedecktem Fels und steilen Hängen, von denen Wasserfälle in die Tiefe stürzten. Jenseits davon erhob sich majestätisch der Ruadh Barran wie ein letzter Wächter vor den Klüften des Wildgebirges, dessen ferne Gipfel in der hereinbrechenden Dunkelheit nur noch zu erahnen waren. Weit im Westen hingegen verlief der Bálan Bennian, jener riesige steinerne Wall, der das Wildgebirge durchlief und an dessen Fuß Iónador lag, die Goldene Stadt.
    Dorthin musste Alphart, um die Menschen zu warnen…
    Der Mond stand inzwischen hoch am Himmel und tauchte die

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