Land der Sehnsucht (German Edition)
wo er groß und eindrucksvoll auf sie wartete. Sie freute sich darauf, einen ersten Blick auf ihn zu erhaschen. Aber das weiße Zelt versperrte ihr die Sicht.
Diese Kulisse war Jacks Idee, und sie war von Anfang an davon begeistert gewesen. Am Fountain Creek, neben dem Friedhof. Mit dieser Entscheidung riefen sie vielleicht in Willow Springs das eine oder andere Stirnrunzeln hervor, aber es passte zu ihnen, aus vielen Gründen.
Die Blütenblätter weißer Rosen schmückten den Weg, den sie und ihr Vater nahmen, und ihr süßer Duft stieg auf, als sie darüberschritten. Obwohl sie es nicht gesehen hatte, wusste Véronique, dass Jack dafür verantwortlich war. Er wollte ihr den Weg bereiten, hatte er gesagt.
Sie hatten sich seit einer Woche nicht mehr gesehen. Das war Jacks Vorschlag gewesen. Er hatte gewollt, dass sie vor der Hochzeit Zeit mit ihrem Vater hätte, und obwohl sie anfangs protestiert hatte, nahm sie sich vor, ihm dafür zu danken.
Sie konnte kaum glauben, dass es tatsächlich geschah: Dass der Mann, den sie so sehr liebte, ihre tiefen Gefühle erwiderte. Und dass ihr Vater dabei war, um ihre Freude zu teilen.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Erst vor kurzem hatte sie ihren Vater gefunden, und jetzt musste er sie einem anderen Mann anvertrauen.
In den letzten Wochen hatte sie diesen Mann, der – mehr als ihr bewusst gewesen war – eine so stille, unauslöschliche Spur in ihrem Leben hinterlassen hatte, besser kennengelernt. Sie haderte zwar immer noch mit der Entscheidung ihrer Mutter vor so langer Zeit, doch die Erinnerungen an ihre Mutter taten gut. Die Bitterkeit, die sie gequält hatte, war so gut wie verschwunden, seit sie ihren Vater gefunden hatte. Die Angst hatte ihnen allen so viel geraubt, dass Véronique beschloss, sich mit Gottes Hilfe nie wieder von ihrer Angst vor dem Unbekannten lähmen zu lassen.
Sie betrachtete den dunstigen, blauen Himmel über sich. „Glaubst du, sie sieht uns, Papa?“
Ohne aufzublicken, nickte er. „Oui, ich fühle ihre Nähe.“ Er legte die Hand auf ihre Hand, die auf seinem Arm lag.
Seine Hand war kühl, und Véronique berührte seinen Handrücken, um ihn ein wenig zu wärmen. Sie dachte daran, wie sie vor langer Zeit gemeinsam an den Kanälen der Seine spazieren gegangen waren.
„Du darfst ihr keine Vorwürfe machen, Véronique. Deine Mutter hat das, was sie getan hat, aus Liebe getan. Das weißt du bestimmt.“
Véronique gab ihm darauf keine Antwort. Sie hatte erfahren, dass Pierre Gustave Girard seine geliebte Frau bis zu seinem Tod verteidigen würde, auch wenn sie noch so oft darüber diskutierten.
Genauso, wie ihre Mutter ihn bis zu ihrem Tod geliebt hatte.
Während sie weitergingen, entdeckte sie links neben sich ein Grab, das mit frischen Wildblumen geschmückt war. Als sie den Namen auf dem einfachen Holzkreuz las, wurde ihr warm ums Herz. Jonathan Wesley McCutchens. Jack hatte ihr erzählt, dass er nicht nach Willow Springs gekommen wäre, wenn es diesen Mann nicht gegeben hätte. Sie flüsterte kaum hörbar: „Merci beaucoup, Monsieur McCutchens.“
„Es war falsch von mir, dich und deine Mutter zurückzulassen und unsere Familie auseinanderzureißen, Véronique. Dieser Fehler liegt als schwere Last jeden Tag meines Lebens auf mir. Aber genauso wie deine Mutter ihre Entscheidung getroffen hatte, hatte ich meine getroffen, ma Petite. Ich ließ zu, dass meine …“
Er hustete. Der Husten wurde schlimmer.
Sie blieben einen Moment stehen und Véronique hörte das verräterische Rasseln in seiner Lunge. Es war gleichzeitig schwer und schmerzlich leicht, sich vorzustellen, dass ihr Vater bald sterben würde. Aber sie hatte immer noch Hoffnung, dass Gott ihr mehr Zeit mit ihm schenkte.
Schließlich bekam er wieder Luft und ihre Schritte nahmen wieder den Rhythmus der Musik an.
„Ich ließ zu, dass meine Beschämung, weil meine Träume gescheitert waren, mir den großen Schatz raubten, den ich bereits gefunden hatte: dich und deine Mutter.“ Seine Stimme wurde leiser. „Aber Gott hat mir in seiner Barmherzigkeit einen Teil dieses Schatzes zurückgegeben, bevor ich diese Erde verlasse.“
Sie blieben vor dem weißen Baldachin stehen.
Hannah und Lilly warteten mit Kathryn Jennings und einem erwartungsvollen Lächeln auf den Lippen vor dem Eingang. Mrs Dunston stand bei ihnen und war zweifellos bereit, falls nötig, letzte Verbesserungen an dem mit weißen Perlen besetzten Kleid, das sie für diesen besonderen Tag genäht hatte,
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