Land der wilden Sehnsucht
glauben.“
„Wirklich nicht?“ Mark hatte ihn zutiefst verabscheut.
Blaine erriet ihre Gedanken. „Hat Mark mich so bezeichnet?“
Sienna errötete, und Blaine trank einen Schluck Cognac und ließ ihn auf der Zunge zergehen.
„Mark mag mich als ein solches betrachtet haben“, erklärte er dann. „Sie dagegen sollten objektiv bleiben. Zu Hause würde kein Mensch auf die Idee kommen, in mir ein Ungeheuer zu sehen. Mein Vater, der ein hoch angesehener Mann war, war in allem mein Vorbild, und ich hätte ihn nie enttäuscht. Man nannte ihn überall ‚The Kilcullen‘ … wie vor ihm seinen Vater, Groß- und Urgroßvater.“
„Mit anderen Worten: Sie waren der perfekte Sohn, während Mark ihn enttäuscht hat“, stellte sie lakonisch fest. „Er konnte sich wohl nicht mit Daddys ‚Goldjungen‘ messen?“ Das klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte, aber der Blick ihres Gegenübers reizte sie.
„Die Haarfarbe stimmt nicht“, erwiderte Blaine lächelnd. „Mark entsprach ihm äußerlich viel eher.“
Er sollte öfter lächeln, dachte Sienna, das wäre auch eine Offenbarung. Sie wich seinem Blick aus und betrachtete das Blumenarrangement in ihrer Nähe. Marks gehässige Äußerungen über seine Familie schienen offensichtlich nicht zu stimmen.
„Das ist alles so verwirrend“, meinte sie seufzend.
„Ein Urteil ändern zu müssen ist nicht immer leicht“, gab er zu. „Ich kann mir ungefähr vorstellen, was Mark seiner Frau erzählt hat. Und Ihnen“, fügte er sofort hinzu. „Sie genossen natürlich auch sein Vertrauen.“
„Warum natürlich?“, fragte sie nach kurzem Zögern. „Was wollen Sie damit andeuten?“ Hoffentlich war sie nicht schon wieder rot geworden. Die peinlichen Erinnerungen an Mark gehörten nicht hierher.
„Ich will nur herausfinden, was mit meinem Halbbruder geschehen ist“, antwortete er. „Soweit wir wissen, waren Sie neben Amanda der einzige Mensch, den er nicht hasste oder aus irgendeinem Grund verabscheute.“
„Wann hat Mark denn über mich gesprochen?“, wollte sie wissen. „Wir haben uns nur selten gesehen.“ Dafür hatte sie gesorgt.
Blaine leerte sein Glas. „Ich will Sie nicht aufregen, Sienna“, versicherte er. „Dies ist für uns alle nicht leicht. Ich bin lediglich der Meinung, dass Mark Ihnen sehr zugetan war. Er hat das in einem Brief an seine Mutter erwähnt. Sie waren doch Amandas Brautjungfer und zugleich ihre beste Freundin, oder?“
„Ja, ich war Amandas Brautjungfer“, gab sie zu.
„Mark vergaß nur, darauf hinzuweisen, dass Sie mit Amanda verwandt sind. Wie ich ihn kenne, hat er das absichtlich getan. Hilary bestand darauf, mir dieses Schreiben zu zeigen, obwohl ich es lieber nicht gelesen hätte.“
„Ich begreife nicht, warum darin überhaupt von mir die Rede war. Worum ging es dabei? Mark sah gut aus und konnte charmant sein, wenn er in der richtigen Stimmung war, aber um ganz ehrlich zu sein … Freunde sind wir nicht geworden.“
„Das sah er anders.“ Blaine spielte mit seinem leeren Cognacschwenker. „Genau genommen, überrascht mich das nicht, denn er glaubte nur das, was er glauben wollte.“
„Und was heißt das in meinem Fall?“
„Liebste Sienna … Sie sind eine ungewöhnlich schöne Frau und scheinen eine große Bedeutung für Mark gehabt zu haben.“
„Wenn es so war, hat er versäumt, es mir zu sagen“, stellte sie unwillig fest. Zu dumm, dass sie jetzt lügen musste. „Warum ist das in diesem Zusammenhang eigentlich so interessant? Schließlich hat Mark sich in Amanda verliebt und sie geheiratet.“
„Aber Sie kennen die näheren Umstände … wir nicht. Deshalb interessiert mich alles, was Sie mir dazu zu sagen haben. War die Ehe glücklich?“
„Warum hätte sie es nicht sein sollen?“, fragte Sienna scharf. Auf keinen Fall würde sie von den zahlreichen Krisen erzählen, den Krächen und Amandas Tränenausbrüchen. Was hätte das gebracht?
„Warum?“ Blaine sah sie offen an. „Weil ich Mark kannte.“
Ich kannte ihn auch. „Den Umständen entsprechend war die Ehe glücklich“, beteuerte sie noch einmal. Doch ihre Unruhe wuchs. Die Luft schien sich aufzuladen und machte ihr das Atmen schwer.
„Waren Sie Zeugin des tödlichen Unfalls?“
„Ja. Amanda hatte mich zu dem Skiausflug eingeladen.“ Die Erinnerung überwältigte Sienna. Sie war nur Amanda zuliebe mitgekommen, die sie fast verzweifelt darum gebeten hatte. Der Grund für diese Verzweiflung war ihr bis heute verborgen
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