Land der wilden Sehnsucht
eingedeckt. Ein Anbau diente Sienna und ihrem Vater als Atelier. Der Blick über die See war atemberaubend schön. Sienna kam seit ihrer Kindheit hierher und war dann immer glücklich gewesen. Ihr Großvater mütterlicherseits hatte das Grundstück vor langer Zeit gekauft. Sogar ein Strand mit Anlegeplatz gehörte dazu. Ein gelber Kajak lag auf der kleinen Brücke.
Im Lauf der Jahre hatte sich viel geändert. Die Insel war inzwischen bequem mit einer Fähre oder per Flugzeug zu erreichen. Geschäfte waren entstanden, es gab Boutiquen und Galerien und verschiedene Lokale, falls man Unterhaltung suchte. Sienna hatte kein Bedürfnis danach. Sie lebte ganz zurückgezogen, um sich von den Ereignissen zu erholen, die ihre Gedanken immer noch beherrschten.
Amanda und sie hatten Katajangga wie zwei Verbrecherinnen verlassen. Sienna würde bis an ihr Lebensende nur mit Scham daran zurückdenken, obwohl sie eigentlich keine Schuld traf. Ihre Eltern hatten sie vom Flughafen abgeholt – entsetzt über Amandas Verhalten. Lucien Fleury hatte die Dinge gleich energisch in die Hand genommen und Amanda in eine teure psychiatrische Privatklinik gebracht, wo sie behandelt werden sollte.
Innerhalb weniger Wochen hatte Amanda die Ärzte davon überzeugt, dass sie gesund und völlig zurechnungsfähig war. Man hatte sie entlassen, und sie war nach New York geflogen, ohne ihren Verwandten ein Wort zu sagen. Sie hatte jetzt genug Geld und brauchte die Familie nicht mehr.
„Was für ein Glück, mein Kind!“, hatte Siennas Mutter erleichtert ausgerufen. „Sie hätte dich töten können! Ich begreife nur nicht, warum man sie aus dem Krankenhaus entlassen hat.“
Die Erklärung war sehr einfach. Amanda konnte sich meisterhaft verstellen.
Sienna arbeitete gerade an ihrem jüngsten Bild, als auf dem kiesbestreuten Hinterhof Schritte erklangen. Sie legte den Pinsel hin, wischte sich die Hände an ihrem Arbeitskittel ab und eilte nach draußen. Obwohl das Haus sehr abgeschieden lag, hatte sie keine Angst.
„Wer ist da?“
Auf ihre Frage hin trat ein großer, schlanker Mann aus dem Schatten. Er trug Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt und eine offene Bomberjacke.
Blaine!
Sienna traute ihren Augen nicht. Das konnte nur Einbildung sein. Sie musste sich täuschen. Seit ihrer peinlichen Abreise hatte sie ständig an ihn gedacht und träumte nur noch von ihm. Er verfolgte sie wie ein Geist – bis in ihr Bett.
Da im Atelier gedämpftes Licht geherrscht hatte, blendete das grelle Sonnenlicht sie jetzt so, dass sie die Augen mit der Hand beschatten musste. Im ersten Moment brachte sie vor freudiger Überraschung kein Wort heraus.
„Blaine?“ Ihr schwindelte vor Aufregung, trotzdem versuchte sie, ruhig zu bleiben. Er schien nicht gerade begeistert zu sein, sie wiederzusehen.
„Du erkennst mich also noch.“
Sie atmete tief ein.
„Wie hast du herausbekommen, wo ich bin?“
„Du wusstest, dass ich dich finden würde.“ Er kam näher und betrachtete sie forschend. „Dein Vater und ich haben eine äußerst aufschlussreiche Unterhaltung geführt. Ich habe auch mit deiner Mutter gesprochen. Die einzige Person, die ich nicht erreichen konnte, warst du.“
„Es tut mir leid … so leid.“ Sienna dachte an Amandas Verhalten und senkte schuldbewusst den Kopf.
„Ich begreife einfach nicht“, erwiderte Blaine, „warum du Amanda bis zum Schluss gedeckt hast.“
„Weil ich mich schämte“, gab sie mit leiser Stimme zu. „Ich weiß noch immer nicht, ob Amanda wirklich glaubte, schwanger zu sein. Als der Arzt das Gegenteil feststellte, war ich genauso schockiert wie du.“
„Sie wollte mich um einige Millionen erleichtern, Sienna. Das ist die bittere Wahrheit. Ein Baby hätte ihr erheblich mehr Geld eingebracht.“
„Sie hat genug bekommen.“ Sienna hielt den Blick weiter gesenkt.
„Genug, um sie loszuwerden. Sie hatte alles genau geplant und wäre auch fast damit durchgekommen. Es war abscheulich von ihr, uns weiszumachen, sie erwarte ein Kind von Mark. Selbst wenn sie angenommen hat, in anderen Umständen zu sein, was ich bezweifle … Mark hätte nie der Vater sein können.“
„Dad hätte dir nicht alles erzählen dürfen …“
„Es war richtig, mir reinen Wein einzuschenken. Dass du geschwiegen hast, ist verständlich.“
Sienna hob den Kopf. „Ich hätte euren Schmerz nur vergrößert. In der Aufregung wollte ich nur noch mit meiner schrecklichen Cousine verschwinden. Vielleicht war das dumm von mir, aber ich fühlte
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