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Landkarten des Lebens

Landkarten des Lebens

Titel: Landkarten des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Gundula u Waelde Gause
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nicht, weil mir alles zu viel würde, sondern weil ich überlaufe vor lauter Glück: Ich spüre dann das Glück des Augenblicks, die Gemeinschaft und das Verbundensein mit Menschen, die mir etwas bedeuten, mit denen ich offen und ehrlich sein kann. Ein heiliger Moment.
    Der Ausflug mit meinem Vater zum Matterhorn liegt nun schon einige Zeit zurück. Dennoch ist er uns beiden noch sehr präsent. Oft denke ich außerdem an einen anderen Ausflug, den ich schon vor einigen Jahren mit ihm unternommen habe – auch zu einem seiner heiligen Orte: an den Niederrhein nach Wesel – nahe der holländischen Grenze. Dorthin, wo er am Ende des Zweiten Weltkriegs wie durch ein Wunder nur knapp dem Tod entronnen ist und wo ihm zum zweiten Mal sein Leben geschenkt wurde. Orte der Erinnerung, des Mahnmals – auch sie sind heilig. Sie ermöglichen uns genau das, was alle heiligen Orte tun: einen Schritt zurückzutreten hinter die Alltagssorgen, Dankbarkeit zu empfinden für das, was wir sind und haben, uns zu versöhnen mit dem, was uns widerfährt, mit uns und unserem Schöpfer ins Reine zu kommen – und gestärkt in den Alltag zurückzukehren.

Gundula Gause
Heilige Orte in meinem Leben

    Auf den ersten Blick wirkt es alles andere als heilig. Nkandla ist ein Ort in der Mitte des Nichts. Eine Straßenkreuzung, eine Tankstelle, ein winziger Shop. Die staubige Piste windet sich durch grüne Hügel. Dann erreichen wir das Zentrum des Ortes und des gleichnamigen Gebiets, etwa 230 km westlich von Durban (Südafrika).
    In der Stadt leben nur etwa 2.700 Einwohner, in der Region aber fast 160.000 Menschen. Es ist ein großes, dünn besiedeltes Gebiet, in dem mehr als 90 Prozent der Bevölkerung arbeitslos sind. Armut, wohin man schaut. Einfache Lehmhütten, verrostete Wellblechdächer, Kinder in zerlöcherten T-Shirts. Und jeder Vierte, vielleicht sogar jeder Dritte ist HIV-infiziert. Viele, sehr viele, sterben früh. Am Härtesten trifft es die kleinen Kinder, es gibt zahllose, sogenannte Aidswaisen. Sie leben in sogenannten child-headed-families, Familien, in denen es nur noch Kinder gibt. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt, die traditionellen afrikanischen Familienverbände existieren in dieser Region kaum noch. Irgendwo, einige Dörfer weiter, gibt es vielleicht noch eine Verwandte, die gelegentlich nach den Kindern ihrer verstorbenen Schwester schaut, aber sonst sind diese auf sich allein gestellt. Die Größeren kümmern sich um die Kleinen. Für viele von ihnen wird das Sizanani Waisenhaus in Nkandla zu einem Ort der Hoffnung. Sizanani bedeutet helft einander.
    Dort arbeitet die deutsche Ordensschwester Dr. Ellen Lindner. Nahezu täglich fährt sie mit ihrem Geländewagen über holprige Pisten zu den Menschen in die entlegensten Dörfer der südafrikanischen Provinz Kwa-Zulu-Natal. Im Gepäck hat sie Medikamente, Verbandsmaterial und Lebensmittel. Als sie vor etwa 25 Jahren nach ihrem Medizinstudium überlegte, was der nächste Schritt für sie sein könnte, entschied sie sich für die Arbeit im Krankenhaus von Nkandla. Dort wurde sie gebraucht, denn damals gab es für 266 Betten nur zwei Ärzte. Vor einigen Jahren stieg sie aus dem Krankenhausbetrieb aus und kümmert sich nun mit acht anderen Schwestern ihres Ordens um eine Pflegestation für HIV-Patienten, ein Waisenhaus und die mobile medizinische Versorgung der Menschen. Regelmäßig betreuen sie gemeinsam mit den von ihnen ausgebildeten Helfern ungefähr 800 Zulu-Familien, darunter etwa 4.000 Kinder. Als sich die AIDS-Krankheit mehr und mehr ausbreitete, brauchte es neue Wege. Für die HIV-Infizierten gab es im Krankenhaus keinen Platz, man schickte sie fort. Das war für Schwester Ellen der Anstoß, zu den Menschen, in deren Häuser zu gehen und sie zu Hause in ihren Familien zu versorgen.
    In der Gegend nennt man sie die Nardini-Sisters nach ihrem aus der Pfalz stammenden Gründer Paul Josef Nardini. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der junge Pfarrer in der aufsteigenden Industriestadt Pirmasens die Schwesterngemeinschaft der Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie (Mallersdorfer Schwestern) gegründet. Mit ihr kümmerte er sich um verwahrloste Kinder, arme, alte und kranke Menschen. Später engagierte sich die Gemeinschaft auch an vielen Stellen in Afrika. Seit über 50 Jahren sind die Schwestern mit ihrer Gemeinschaft bereits in Nkandla.
    Der Weg von ihrem Sizanani-Zentrum dort zu den notleidenden Zulu-Familien ist weit. Über vom Regen

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