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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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macht
mir Angst, dass jeder da draußen im Sonnenschein erraten
kann, dass ich gefickt worden bin oder bald gefickt wer-
de.»
    «Geht es dir auch so, wenn du mit Ian geschlafen hast?»
    «Angle nicht nach Komplimenten, Liebling. Das schickt
sich nicht. Ich hab dir doch gesagt, wir sind schläfrig.
Manchmal schläft einer von uns ein, bevor wir fertig sind,
so gelangweilt sind wir.»
    «Ian kann langweilig sein, in letzter Zeit», stellte Owen
mit einer Spur von Grausamkeit fest.
    «Er ist langweilig», erklärte seine Frau, «weil er in allge-
meinen Reden wegerklären möchte, was er in Wirklichkeit
empfindet: sein persönliches Scheitern, seinen Verlust an
Kreativität.»
    «Das Gefühl kenne ich», sagte Owen in einem Ton, der
besagte, dass sie für diesmal Schluss machen mussten.
     
    Anderthalb Jahre lang machten sie heimlich weiter und
trauten kaum ihrem Glück. Ian und Phyllis schienen nichts
zu wissen. Zwar wusste es die Stadt – nicht nur ihr Freun-
deskreis, sondern auch die Fußgänger, die sie auf der Ri-
ver Street lächeln sahen, und die Frau an der Rezeption
des Motels am Highway nach Willimantic –, doch in einer
Kleinstadt spricht man über so etwas nicht. Eine Kleinstadt
ist gewoben aus Geheimnissen, aus Wahrheiten, die besser
unausgesprochen bleiben, mit Häusern, die weniger Fens-
ter als undurchsichtige Mauern haben. Alissa und Owen
hätten vielleicht noch länger weitergemacht – sie trafen
sich nie häufiger als einmal in der Woche und im Sommer
sogar noch seltener –, bis der Druck des Betrugs sie oder
ihn so sehr deformiert hätte, dass der andere ihn nicht
mehr hätte lieben können, aber Alissa wurde schwanger.
Ihr wehmütiges Gerede, dass sie in ihrer Naivität erwartet
hätte, ihr Menstruationsfluss erregte Bewunderung, war zu
einem panikartigen Warten darauf geworden, dass das Flie-
ßen erneut begann. Viele hastige Telefongespräche bestä-
tigten, dass es nicht so war.
    «Aber von wem ist es?» Das war die Frage, nachdem
ihre Periode drei Wochen überfällig war und sie morgens
mit Übelkeit erwachte. «Wer hat zu dem Zeitpunkt mit                  dir geschlafen?» Er schrie durch das öffentliche Telefon
am Highway und horchte angestrengt, den einen Finger
im Ohr, während Wolken von Salz und Sand aus dem ver-
gangenen Winter, von den vorbeirasenden Autos zu einem
feinen Staub zermahlen, ihm ins Gesicht flogen. Er sagte
«geschlafen» statt des für unter ihnen üblichen freimüti-
gen Worts, als könnte eine Telefonistin, die einstige Belau-
scherin des Kleinstadtlebens, zuhören.
    «Keiner von euch», kam schwach die Antwort.
    «O mein Gott. Du warst noch mit jemand anders zusam-
men?»
    «Nein, nein, du Dummer. Ich meine, ihr könntet es beide sein – aber ich verstehe nicht, wie. Von der Pille hatte ich
immer so ein Völlegefühl, deshalb bin ich wieder zu der
Rhythmus-Methode übergegangen, die haben Ian und ich
jahrelang mit Erfolg angewandt, bevor er zuließ, dass ich
Norman bekam. Er sagte, er sei Künstler und Kinder seien
Geiseln des Glücks.»
    «Dann bin ich es wohl», sagte Owen tapfer, «so toll, wie
wir gefickt haben.»
    «Liebling, um ein Baby zu machen, braucht es nicht toll
zu sein. Wenn es so wäre, gäbe es keine Bevölkerungskri-
se.»
    «Mir wäre es natürlich lieber, ich könnte glauben, dass
es Ian war. Aber ich dachte, du hättest gesagt, er sei impo-
tent.» Das war ein Fehler – ihm fiel wieder ein, dass Phyllis
das gesagt hatte.
    «Habe ich das gesagt? Vielleicht habe ich gesagt, er sei
mutlos. Aber er ist erst dreiundvierzig, er ist nicht steinalt.»
    «Erzähl mir nicht weiter davon», bat Owen sie. Es war
widerwärtig. Ihr Blut, Ians Samen, sein eigener. Er hatte
das Gefühl, dass sein Inneres zu Wasser wurde; er stand         am Rande der Verdammnis, die, bodenlos, dort wartet, wo
die Haut des öden Einerleis zerreißt. «Und was gedenkst
du zu tun?»
    «Was, sagst du, soll ich tun?»
    Er musste die Frage wiederholen, weil ein Sattelschlep-
per vorbeidonnerte.
    «Kannst du eine Abtreibung machen lassen?», schrie er,
dicht neben dem schmutzigen Highway.
    «Ich wüsste nicht, wie», kam ihre schwache Antwort.
«Wie sollte ich es Ian erklären? Er weiß schon, dass mei-
ne Periode ausgeblieben ist. Wo soll ich hingehen, ohne es
ihm zu sagen?» Ihre schwache Stimme wurde schwächer,
Alissa wurde kleiner, sie versank in den durchsichtigen
Tiefen, fern von ihm, für immer fort. «Owen, ich will das
Baby haben», rief sie.

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