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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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angezogen. Stacey
saß auf dem Fußboden, auf einem Navajo-Teppich, den
sie als Teil ihrer Aussteuer mitgebracht hatte. Seine Strei-
fen, schwarz, rot, grün und lehmfarben, vibrierten um sie
herum. Sie saß in der Yoga-Position, der Minirock war ihr
über die Oberschenkel gerutscht und bedeckte nur knapp
den Schritt ihrer Unterhose. Phyllis saß aufrecht neben             dem hingeräkelten Ed auf dem hellen Sofa, den langen
Hals hochgereckt, als sie einen Zug aus dem Joint tief in-
halierte. Owen saß in dem breiten, raffinierten dänischen
Teakholzsessel, in dem wahrscheinlich Ed saß, wenn keine
Gäste da waren. Sie tranken wässerigen Bourbon-Soda, Ed
trank Bier. Phyllis reichte Stacey den Stummel des Joints.
Vom Fußboden herauf rief Stacey: «Wie ist das arme klei-
ne Ding nur so nass geworden? Wer hat daran gelutscht,
Schatz?»
    «Ich nicht», sagte Ed, «ich habe keinen Zug gemacht.»
    «Jetzt muss ich einen neuen machen», klagte seine
Frau.
    «Für mich nicht», sagte Phyllis. «Mir ist ganz komisch.»
    Nach einer langen Pause, wie es schien, sagte Ed: «Du
brauchst frische Luft. Komm, wir gehen mal ein bisschen
raus.»
    «Wieso komisch?», fragte Owen.
    Owen kam es so vor, als hätte die Zeit im Zimmer eine
seltsame, doppelte Qualität: sehr langsam, wenn die ande-
ren sprachen, aber beschleunigt, wenn alle schwiegen und
viele hastige Pulsschläge sich in die Sekunden quetsch-
ten.
    Phyllis präzisierte ihre Aussage: «Mir ist übel im Ma-
gen», sagte sie und fragte dann, an die Luft gerichtet: «Wer
hätte je gedacht, dass dieses Land dahin kommen würde,
in Indochina Napalmbomben auf Bauern und Kinder ab-
zuwerfen?»
    «Nicht schlimmer als das, was wir mit den Indianern ge-
macht haben», sagte Stacey.
    «Waren es nur Bauern und Kinder?», fragte Owen Phyl-
lis, als hätten sie zu Hause nie die Zeit, ihre Gedanken aus-
zutauschen, was ja in gewisser Weise so war. «Oder waren         da auch Vietkong, die Dorfälteste mit dem Kopf nach un-
ten vergraben haben und Südvietnam eine groteske falsche
Regierungsform aufzwingen wollten?»
    «Gute Frage», gab Ed zu.
    «Armer Owen», sagte Stacey; ihr Gesicht schien in ih-
rem Haar zu schwimmen, während sie so auf dem Boden
saß, Owen zu Füßen, neben dem Couchtisch, durch dessen
Glasplatte er eins ihrer tief gebräunten Knie sehen konnte.
«Er ist so patriotisch. Er erinnert mich an die heimattreuen
Männer in Texas.»
    Phyllis stand auf. Das Rauschen ihrer Kleider und ihr
hörbarer Atem brachten Owen wieder zum Bewusstsein,
wie beachtlich sie war, was für ein Fang sie damals gewesen
war. «Ich brauche frische Luft, glaube ich», sagte sie, «und
dann, Owen, müssen wir nach Hause und den Babysitter
erlösen.»
    «Richtig», stimmte er ihr zu, ohne die geringste Absicht,
sich zu rühren. Das Leben war hier zu gut, mit diesem hoff-
nungsvollen neuen Paar, in diesem üppigen bürgerlichen
Komfort. Er fragte sich, wo der Joint hingekommen war,
und hoffte, dass er nicht irgendwo ein Loch in etwas brann-
te. Er setzte das Glas mit dem schwachen Whiskey an die
Lippen und trank, und der Glasrand bildete einen kühlen,
brüchigen Bogen in seiner Vorstellung.
    Ed hatte sich mühsam, in verspäteter Synchronizität
mit Phyllis erhoben. Zwischen ihnen fand eine Diskussion
statt, so opak und irrelevant für Owen wie die Gespräche
zwischen seinen Eltern, die er im Alter von drei oder vier
Jahren mitgehört hatte. Er hätte zuhören und verstehen
können, mit der Hälfte seines Verstands, die klar und kalt
war, doch seine Aufmerksamkeit galt der anderen Hälf-
te, die erlebte, wie ihn ein außerordentliches Glücksge-             fühl überschwemmte, ihn durchdrang, wie der Nebel der
Neutrinos, die zu Milliarden und Abermilliarden der Son-
ne entströmten, selbst zur Nachtzeit, wie jetzt. Dies war
Glückseligkeit: die glatte Teakholzfläche unter seinen
Fingerspitzen, die schwarzen und roten und lehmfarbenen
und kaktusgrünen Navajo-Zickzackmuster aus dicker Wol-
le unter seinen Augen, selbst die Maserung in den breiten,
gebleichten Fußbodendielen, die von Wachstumszyklen
in einem fernen Kiefernwald zeugten, die saubere, weiße
Ausdehnung der Zimmerdecke, die an die weiß gestriche-
nen Backsteine des vorstehenden Kamins der Mervines
stieß, der Pferdegeruch von Staceys feuchtem Haar, nicht
weit von da, wo er saß, die leisen, stochernden Laute des
Gesprächs der Erwachsenen, das unmittelbare Gefühl sei-
ner eigenen Wahrnehmung,

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