Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Olivenhain angelegt hätten. Enzo musste mal wieder mit seinem Bagger kommen, um Felsbrocken und Steine auszugraben. Die ein Meter tiefen Löcher wurden dann mit lockerer Erde gefüllt. Oliven sind unglaublich faul und nicht willens ihre Wurzeln durch Steine zu schlängeln. Würden wir sie wie jede andere Pflanze eingraben, hätten sie so eine Art Anwachsgarantie ohne auch nur einen Millimeter größer zu werden. Durchaus interessiert, kam die Frage, wie viele Bäume wir denn gesetzt hätten. Vierzehn. Vierzehn? Damit flogen wir als zugezogene Städter gleich aus dem Wettbewerb. Wer nicht mindestens 150, besser noch 400 oder noch viel mehr Bäume hat und nicht mindestens 1.000 Kilo Oliven pflückt, darf gar nicht erst mitreden. Enzo und seine Frau Antonella haben 3.500 Kilo geerntet! Nur mit den Händen!
IX
Es regnet und regnet und regnet . Die Straße gehört noch immer den Wildschweinen und Elefanten - dass die Dickhäuter hier existieren ist für mich angesichts der Größe der Matschlöcher bewiesen. Zeigen tun sich die Biester allerdings nicht.
Enzo mit der Raupe muss seit Wochen gerade dringend ein Schwein schlachten oder zum Arzt oder einen Wald fällen oder es hat zu viel oder zu wenig geregnet, um Rollsplitt zu verteilen.
Kurzum, wir rutschen und schlingern mit unserem Wagen den Berg hinab und hinauf und versauen uns jedes Mal die Kleidung am lehmverkrusteten Auto. Ich bin nicht mehr sicher, ob es aus Blech gefertigt wurde – sehen kann man das nicht mehr.
Gestern kamen zwei Ureinwohner, die seit über 30 Jahren ein konsequentes Aussteigerleben führen, unerschrocken zu Fuß durch den Matsch und tapsten ebenso unerschrocken durch unser Haus. Macht ja nichts. Nach einem Leben mit Putzfrau finden wir es sehr putzig, mehrmals wöchentlich selbst mit Staubsauger und Wischeimer umeinander zu ziehen.
Draußen arbeiten geht bei dem Wetter nicht. Ausflüge nach Rom oder Pisa machen auch keinen Spaß. Da regnet es ja ebenso. Willkommene Abwechslung bietet der Anruf von Luigi - den wir nicht kennen, der aber unsere Nummer von Meri hat - er habe gerade eine Ziege geschlachtet, ob wir Interesse hätten.
Hatten wir. Wir wühlten uns durch unsere absurden Waldwege, fuhren ängstlich ein wenig auf Asphalt – diese glatten Flächen sind wir nicht mehr gewöhnt – bogen dann am Friedhof des Nachbardorfes Tatti ab und schraubten uns über drei Kilometer auf Waldwegen zu einem Fluss hinab, der nur 30 Zentimeter hoch Wasser führte, also gut zu durchqueren war. Dann erreichten wir einen Freakhof. Da war es eben so, wie es da so ist.
Als erste Kulisse begrüßen den Besucher Autowracks und ein verwitterter Wohnwagen, verrostete Eisenteile in industrieller Menge und Abfallberge beschnittener Bäume, die bestimmt eines Tages an eben dieser Stelle verrotten werden.
Dann kommt der obligatorisch große Hund, der einen freudig anspringt. Sein Gebell wird vom Chor 20 meckernder Ziegen begleitet und die sehr liebenswerte Freakfrau begrüßt uns mit Küsschen.
Stolz zeigt sie uns das Appartement für zahlende Feriengäste, möbliert mit apartem Sperrmüll. Durch die gesprungenen Fensterscheiben schauend jubele ich laut: „Wie schön! Wie zauberhaft!“ Und reagiere mindestens so verständnislos wie sie, wenn sie erzählt, dass mancher Gast, der via Internet gebucht hat, ankommt, aussteigt, sich umsieht, wortlos wieder einsteigt und – mit dem Risiko eines Achsenbruchs – davon braust. Oder hätte da irgendjemand, auch nur insgeheim, für solche Gäste einen Funken Verständnis?
Wie gesagt, Monique ist wirklich nett. Seit mehr als 25 Jahren bewirtschaftet sie mit Luigi den Hof. Kennengelernt haben sie sich einst als Animateure im Club Med auf Sizilien. Sie ist Pariserin, er kommt aus Palermo. Sie waren es leid, Touristen zu bespaßen, die von morgens bis abends gute Laune gebucht hatten. Sie wollten kein Männerballett mehr choreographieren und keine schiefen Gesangswettbewerbe prämieren. Sie wollten keine Karrieregeschichten mehr hören und keine Rolex bestaunen. Sie wollten nur noch raus aus dieser Glitzerwelt.
Einigen ihrer Kollegen ging es nicht anders. Gemeinsam kauften sie die toskanische Ruine. Günstig. Tief im Tal, ohne Blick und sehr kaputt. Die Gruppe – WG hieß damals noch Kommune – lebte den Traum vom einfachen Leben, weit weg von kapitalistischem Strom und Wasser. Kinder wurden geboren. An
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