Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Geld reicht nicht.
Meri, eine selbstbewusste Frau mit großem Herz und 1000 Talenten, steht in der Zweitküche und füllt Wildschweinmett in Naturdärme. Von der Decke hängen schon Salami, Blutwürste, Speck und ganze Schinken.
Meri geht putzen, um das Familieneinkommen aufzubessern, versorgt Kaninchen, Hühner und Ziegen, ist eine begnadete Dichterin und backt kunstvolle Torten, um deren Rezepte sie mancher Profi-Bäcker beneiden würden.
Während sie Naturdärme glatt streicht, Meri ist nie untätig, erzählt sie von einer Torte mit neun Schichten und drei Glasuren. Viel zu schwierig für mich. Sie seufzt, denkt nach und meint schließlich: „Versuch‘s mal mit meinem Ricotta-Zitronen-Kuchen.“ Pause. In mütterlichem Ton, sie ist fünf Jahre jünger als ich, macht sie mir Mut: „Das ist was für Anfänger.“
200 g Mehl, 75 g Zucker, eine Prise Salz mischen, auf einer Arbeitsfläche häufen und in die Mitte eine Mulde drücken. Da hinein 1 Ei und 125 g kalte Butterstückchen geben. Alles mit einem großen Messer gut durchhacken und dann mit den Händen zu einem Teig verkneten. In Frischhaltefolie wickeln und 30 Minuten in den Kühlschrank legen.
Den Ofen auf 160 Grad (Umluft) vorheizen.
Den Teig auf der bemehlten Arbeitsfläche ausrollen und eine gebutterte Tortenform damit auskleiden.
Für den Belag die Schale von zwei Zitronen abreiben und den Saft auspressen. drei Eier mit 100 g Zucker schaumig rühren. 500 g Ricotta, abgeriebene Zitronenschale und den Zitronensaft zugeben. Alles gut mit dem Quirl vermengen und die Creme auf dem Teig verteilen. Die Torte 50 Minuten im Ofen bei 160 Grad backen.
In der Zwischenzeit zwei Zitronen in Scheiben schneiden. 100 ml Wasser mit 100 g Zucker aufkochen, die Zitronenscheiben dazugeben und vier Minuten köcheln lassen
Die Torte aus dem Ofen holen und auskühlen lassen.
Vor dem Servieren den Grill des Ofens anstellen. Die abgetropften Zitronenscheiben auf dem Kuchen verteilen, mit ein wenig Sirup beträufeln und mit Puderzucker bestäuben. Die Torte vier Minuten lang unter dem Grill karamellisieren lassen.
Irgendwie fühle ich mich in meiner Kochehre gekränkt und erzähle Meri, dass ich das Wildschweinfilet nicht zu heiß anbrate und dann bei 80 Grad im Ofen gare. Es zuvor aber noch in einem Kräutermantel verpacke.
„Kräutermantel?“
„Ja, ich hacke Basilikum, Thymian, Salbei und Petersilie sehr fein und verknete sie mit Toastbröseln und Butter.“
Meri lacht. „Komisches Rezept. Vom feinen Aroma des Wildschweins bleibt da ja nicht viel. Und weißt Du, Butter, esst nur Ihr Deutschen.“
Sie ist trotzdem ein richtig netter Mensch.
Zum Abschied drückt sie mir noch schnell einen abgeschlagenen Schweinefuß in die Hand. „Die esst Ihr Deutschen doch wohl auch? Die bringen doch Glück!“ Klar doch.
Wir schleppen unser halbes Wildschwein in fünf Plastiktüten und den blutigen Schweinefuß in der Hand erst zum Auto, dann ins Haus.
Man weiß ja nie, was so alles Glück bringt. Also Pfote nicht in den Müll, Pfote in den Kochtopf. Zwei Stunden. Dann zwei Sekunden auf den abgelösten Knorpeln kauen und nun endlich doch in den Müll. Hoffen wir, dass wir trotzdem Glück haben werden.
Beim Auspacken der Tüten entdecken wir, dass Meri uns sechs Eier, vier Würstchen und einen Ricotta - für die Torte - geschenkt hat.
Waldmenschen hier beschenken, bedanken und bezahlen stets in Naturalien. Passt ja auch irgendwie. Aprikosen- für Mispelmarmelade, selbstgezogenes Pflänzchen für zwei Salatköpfe, Weintrauben gegen Kartoffeln, Likör aus Holunderbeeren für Zucchini.
Nur wir zahlen noch mit Fremdwährung mangels eigenem Gemüsegarten und Vorratsregalen mit Eingemachtem. Doch die „Ureinwohner“ sind durchaus begeistert, eingelegte Zucchini gegen Schokolade oder mit Thunfisch gefüllte scharfe Paprika gegen importierte Leberwurst-Konserven zu tauschen. Spätestens ab Herbst werden wir uns eingebürgert fühlen und unsere geernteten Gaben zu den Nachbarn tragen.
Einen Gemüsegarten werden wir leider nicht haben. Der Boden ist zu felsig. Tomaten und Artischocken gedeihen nur in großen Zinkwannen. Dafür haben wir reich tragende Obstbäume. Okay haben die anderen auch. Aber als Raritäten werden wir Feigen und Esskastanien gegen Auberginen und Zucchini bieten.
Für unsere Olivenernte hingegen werden wir nur ein müdes Lächeln ernten. Stolz erzählte ich in nachbarschaftlicher Runde, dass wir mit großem Aufwand einen
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