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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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los, um einzukaufen, denn in Sebastians Wohnung gab es zwar einen Kühlschrank, aber da standen lediglich ein paar Bierflaschen neben einer angebrochenen Spaghetti-Packung. Ich kaufte frische Brötchen für alle und füllte ihnen den Kühlschrank auf, was sie wortlos zur Kenntnis nahmen. Ich weiß nicht, wovon sie sonst lebten, arbeiten gingen sie beide nicht, und als ich einmal fragte, gab Sebastian eine ausweichende vieldeutige Antwort, und ich fragte nicht weiter. Nach dem Frühstück gegen zehn Uhr zog ich los, um mich nach einer Arbeit zu erkundigen. In drei Werkstätten zeigte man sich interessiert, aber da ich keine Wohnung in Berlin hatte und keine Zuzugsgenehmigung besaß, bedeutete man mir, dass ich mir zuerst das nötige Papier und ein Zimmer besorgen müsse. Als ich fragte, wie ich das anstellen solle und ob mir die Werkstatt dabei behilflich sein könne, zuckte man mit den Schultern.
    In einer Werkstatt im Süden Berlins wurde ich von einem der Meister empfangen. Als ich ihn fragte, lachte er auf.
    »Gute Freunde sind hilfreich«, sagte er, »davon hat man nie genug. Wenn du so einen guten Freund im Wohnungsamthast, bekommst du in drei Tagen den Zuzugsschein und wahrscheinlich ein Zimmer oder eine ganze Wohnung.«
    »Das kenne ich«, sagte ich, »genauso habe ich meine letzte Wohnung bekommen. Über einen Kunden, der mit meiner Arbeit immer zufrieden war. In Berlin habe ich noch keine Kunden. Aber Sie haben hier Kunden. Und sicher auch welche von einer Behörde, die mir helfen könnten.«
    »Vielleicht, vielleicht nicht. Weißt du, Junge, ich habe zweimal Leuten aus der Provinz geholfen. Sie bekamen ihre Wohnungen, gute Wohnungen, da war nichts dran zu tippen, und kein Monat verging, da knallten sie mir ihre Kündigungen auf den Tisch. Arbeiten nun in Westberlin. Von mir wollten sie die Wohnung. Jetzt bin ich vorsichtig geworden. Kannst du das verstehen?«
    »Klar. Ich will hier arbeiten, nicht in Westberlin.«
    »Genau das haben die zwei gesagt, ganz genau das. Komm wieder, wenn du den Zuzug hast, mein Junge.«
    Schließlich habe ich es in Westberlin versucht, dort brauchte man keine Automechaniker und schon gar keine aus dem Osten. Davon hätten sie genug, sagte man mir, außerdem sei der Winter keine gute Saison, ich solle mich im Frühjahr wieder bei ihnen melden.
    Nach vier Tagen gab ich es auf, nach einer Arbeit zu suchen, und fuhr kreuz und quer durch die Stadt, lief durch die Warenhäuser und verbrachte Stunden in den Geschäften für Heimwerkerbedarf und Werkzeuge. Einen Tag bevor ich abfuhr, sprach Sebastian von einem Luxusschlitten, der seit Tagen in seiner Straße stehe.
    »Meinst du den Adler?«, fragte ich.
    »Ja, ich glaube, es ist ein Adler. Ein riesiges Gefährt.«
    »Das ist mein Wagen.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Glaubs mir.«
    »Tatsächlich? Ich dachte, der gehört einem Millionär.«
    »Ich habe ihn mir selber aufgebaut. Aus einem Haufen Schrott.«
    »Was denn! Sag bloß, du bist Autoklempner?«
    »Genau.«
    »Und das sagst du erst jetzt. Hast du den P4 gesehen, den alten Opel? Das ist meiner, der fährt nicht. Irgendetwas mit der Lichtmaschine und mit dem Vergaser stimmt nicht. Die Werkstatt würde ihn mir machen, doch die wollen sechshundert dafür. Schau es dir einmal an, Koller. Vielleicht bekommst du es hin.«
    »Ansehen kann ich ihn mir ja.«
    Ich bastelte einen ganzen Tag an seinem Auto. Es war zum Glück nichts kaputt, der Wagen war in einem elenden Zustand, überhaupt nicht gepflegt und gewartet. Er sah so aus wie das Haus von Sebastian und seine ganze Wohnung. Als es bereits dunkelte, war ich mit der Arbeit fertig, der Motor lief wieder, und Sebastian fuhr einmal um den Block. Ich sagte ihm, er solle ihn regelmäßig zur Durchsicht bringen, das würde ihn auf die Dauer billiger kommen. Er nickte, sagte, das gehe in Ordnung, ich wusste, er würde sein Auto weiterhin wie einen alten Socken behandeln. Da er darum bat, fuhr ich ihn und seine Freundin, sie hieß Barbara, und er nannte sie Babs, zum Dämeritzsee in Köpenick, wo ein Kumpel von ihm wohnte, der eine Party gab. Er drängte mich, mit ihnen ins Haus zu gehen, ich solle bei der Party einfach mitmachen, es sei kein Problem, wenn er jemanden mitbringe.
    Klaus, Sebastians Freund, wohnte im Haus seiner Eltern, einer Villa mit einem direkten Zugang zum See und einem Bootsschuppen im Garten. Sebastians Freund hatte eine eigene Wohnung im Dachgeschoss, zwei Zimmer, eine winzige Küche und ein kleines Bad. Sein Vater war

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