Landnahme
Kannst du nicht so etwas gebrauchen? Ich würde gern in Berlin arbeiten.«
»Schlosser brauchen wir nicht. Eigentlich nur Fahrer, und davon haben wir im Moment mehr als genug.«
Er lächelte mich herablassend an und drehte sich dann zu dem Mädchen, das neben ihm saß. Einige Zeit später traf ich ihn nochmals vor der Toilette und fragte ihn nach seiner Firma und Bernhard, er wollte mir nichts sagen und machte wiederum unverständliche Andeutungen. Kurz danach traf ich Sebastian und sagte ihm, dass ich mich auf den Heimweg machen würde, weil hier alle besoffen seien. Er maulte, weil er bleiben wollte und dann mit seiner Freundin mit der S-Bahn fahren müsste, dann gab er mir den Wohnungsschlüssel.
Am nächsten Morgen packte ich leise meine Klamotten zusammen, da ich abreisen wollte. Dann fiel mir ein, dass mich keiner nachts geweckt hatte, also waren Sebastian und seine Freundin Barbara nicht nach Hause gekommen. Ich schaute im Wohnzimmer nach, es war leer, die beiden hatten wohl bei ihrem Freund Klaus übernachtet, Matratzen hatten ja genügend herumgelegen. Ich frühstückte ausgiebig,brachte dann Koffer und Tasche zu meinem Wagen und machte mich reisefertig. Eine Stunde lang saß ich in der Wohnung und wartete auf die beiden, weil ich mich von ihnen verabschieden und den Schlüssel zurückgeben wollte. Als es zwölf war und von den beiden noch immer nichts zu sehen war, schrieb ich einen Brief für Sebastian, den ich zusammen mit dem Schlüssel bei dem Kneiper abgeben wollte. Als ich gerade die Wohnungstür abschloss, erschienen sie. Ich bedankte mich bei ihm und mahnte ihn, sein Auto regelmäßig durchsehen zu lassen. Ich fragte ihn nach dem Jungen mit der Halskette, er wusste nur, dass er Frieder heiße und viel Geld machen würde.
»Irgendwelche Geschäfte«, sagte er, »irgendetwas, das besser ist als arbeiten.«
Barbara reichte mir zum Abschied die Hand. Sie konnte kaum aus den Augen sehen und sagte, ich solle sie bloß nicht ansehen, sie fühle sich wie ausgekotzt, denn sie habe keinen Moment dort schlafen können. Ich fuhr los und war zweieinhalb Stunden später bei meiner Mutter in Guldenberg. Ich wollte ein, zwei Tage bleiben, um ein paar Freunde zu sehen, und dann nach Leipzig fahren, um mich dort nach einer Arbeit umzuschauen. In Guldenberg wollte ich auf keinen Fall arbeiten, mit dieser Stadt hatte ich abgeschlossen.
Ich war kaum zu Hause, als Mutter mich nach Wilhelm fragte. In Berlin hatte ich nicht eine Sekunde mehr an die beiden gedacht, ich hatte sie bereits vergessen, nun musste ich Mutter irgendetwas erzählen. Ich sagte ihr, wir hätten uns getrennt, und als Mutter fragte, ob ich denn meinen Sohn nicht mehr sehen würde, sagte ich grob, dass Wilhelm nicht mein Sohn sei und dass ich mich deswegen von Gitti getrennt habe. Als sie immer weiter fragte, bat ich sie, damit aufzuhören, ich wolle von Gitti nichts mehr hören, nicht mehr an sie denken und kein Wort mehr über sie verlieren. Dann sagte ich ihr, dass sie keinem in der Stadt von meinerPleite mit Gitti etwas erzählen solle, und zog los, um alte Schulfreunde zu treffen.
Bernhard sah ich am nächsten Tag am frühen Nachmittag im Café am Paradeplatz. Ich wollte nicht mit ihm sprechen, aber außer ihm saßen nur zwei Leute im Café, so dass ich einem kurzen Gespräch mit ihm schlecht ausweichen konnte.
»Ich habe schon gehört, dass du wieder in der Stadt bist. Willst du hier bleiben?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Und wie gehts dir? Du hast ja einen feinen Wagen. In der ganzen Stadt spricht man darüber.«
»Ja, der ist einzigartig. Das ist noch ein richtiges Auto. Habe ich mir selber aufgebaut. Ganz allein.«
»Schönes Stück. Gefällt mir. Falls du ihn verkaufen willst, gib mir Bescheid.«
»Ich weiß nicht, ob du so viel Geld hinlegen kannst, wie der kostet. Das ist eine höhere Summe, mein Kleiner.«
»Dachte ich mir. Das wäre er mir auch wert. Mach ein Angebot, Koller.«
»Willst du mir einreden, dass du das Geld für einen solchen Wagen beisammen hast?«
»Mach ein Angebot. Sag eine Summe. Sag einfach eine Summe. Ich handle nicht, ich sag ja oder nein, und dann ist das Geschäft perfekt.«
»Tischler bist du nicht mehr, Holzwurm, was? Als Tischler verdient man nicht so viel.«
»So ist es. Habe was Einträglicheres gefunden.«
»Ich weiß. Du bist Chauffeur, Holzwurm.«
»Chauffeur? Wer erzählt so etwas?«
»Ich habe deinen Chef in Berlin getroffen. Der hat es gesagt.«
»Ich habe keinen Chef. Da hat dir
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