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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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jemand einen Bären aufgebunden. Wer zum Teufel soll mein Chef sein.«
    »Ein Rothaariger mit einer Goldkette um den Hals.«
    »Ich habe keinen Chef. Ich bin selbständig.«
    »Frieder heißt er, glaube ich. Hat mir viel von dir und euren Geschäften erzählt.«
    »So ein Idiot. Was hat er erzählt?«
    »Na, dass du bei ihm Fahrer bist und ihr viel Geld macht. Hat mir angeboten, für ihn zu fahren.«
    »Was hat er erzählt?«
    »Alles über euch. Wie ihr so viel Geld macht.«
    »Und wie machen wir das?«
    »Das muss ich dir wohl nicht sagen.«
    »So ein Idiot.«
    Bernhard war sauer, das spürte ich deutlich, und ich hoffte, ich würde ihn zum Reden bringen und mir nicht anmerken lassen, dass ich gar nichts wusste.
    »Von mir erfährt keiner etwas«, sagte ich beruhigend, »und wer weiß, vielleicht steig ich bei euch ein. Immer alte Autos fremder Leute zu reparieren, das macht auf Dauer keinen Spaß.«
    Bernhard sah mich an und schwieg. Ich wusste, er dachte darüber nach, was mir der Rothaarige gesagt haben könnte. Schließlich fragte er, ob ich ihm mein Auto zeigen würde. Er bezahlte, und wir gingen hinaus. Der Adler beeindruckte ihn mächtig, und da er mich darum bat, stiegen wir in den Wagen und fuhren los. Zuerst ging es zur Brücke. Seit meinem Umzug war ich nicht wieder dort und wollte sehen, wie sie aussah. Ich fuhr langsam darüber, und nachdem wir sie passiert hatten, hielt ich an. Wir stiegen aus, gingen ein paar Meter zurück und lehnten uns dann über das Brückengeländer, um auf den Fluss zu schauen. Der Wind war schneidend kalt, ich hatte weder Mantel noch Schal mit und schlug den Kragen der Jacke hoch. Das trübe Wasser der Mulde lief gurgelnd zwischen den Pfeilern hindurch. Fast gleichzeitig sahen wir uns an und grinsten. Wir erinnerten uns an die alten Geschichten, an den Einbruch in den Bauwagen und das gestohlene Werkzeug, wirsagten beide nichts. Vielleicht war es Scham oder Verlegenheit, die uns verstummen ließ, wie auch immer, aber da Bernhard nichts über unsere Kindereien sagte, sah ich keinen Grund, irgendetwas dazu zu bemerken.
    Als wir zum Auto zurückgingen, fragte ich, ob er Lust zu einer kleinen Spritztour hätte, und schlug ihm vor, in die Heide zu fahren, zum Ochsenkopf. Er war einverstanden. Unterwegs redete er immer wieder über mein Auto, und ich versuchte herauszubringen, womit er angeblich so viel Geld machte, ohne dass er merken würde, dass ich eigentlich nichts von ihrem Geschäft oder ihrer Firma wusste. Als wir an die Waldgaststätte kamen, war ich nicht viel schlauer als vorher. Dass es kein legales Unternehmen war, bekam ich heraus, eins, für das man auch ins Gefängnis wandern könnte, wenn man Pech hatte. Das hatte ich mir bei den Geldsummen, die Bernhard angeblich damit verdiente, bereits gedacht.
    Der Ochsenkopf war geschlossen, er hatte nur in der Saison geöffnet, und nirgends gab es eine Möglichkeit, sich aufzuwärmen und etwas zu trinken. Als wir um das Haus gingen und an die Türen klopften, in der Hoffnung, irgendjemanden zu finden, der uns einen Kaffee serviert, sprang die Tür, die in die Küche führte, plötzlich auf. Wir klopften nochmals und riefen, kein Mensch war zu sehen und zu hören. Wir sahen uns einen Moment an, dann die offen stehende Tür. Bernhard schüttelte schließlich den Kopf und lachte.
    »Nein«, sagte er, »das ist vorbei. Zu gefährlich.«
    Ich nickte. Dann fragte ich: »Was ist eigentlich aus dem Motor geworden?«
    Er verstand mich nicht und sah mich fragend an.
    »Der Motor damals! Die Seilwinde!«
    »Ach so«, sagte er und lachte, »Vater wollte sie nicht. Er glaubte mir nicht, dass ich sie einem Kumpel abgekauft habe. Also habe ich sie ein halbes Jahr später jemandem verkauft,der in einer Annonce nach einem elektrischen Seilaufzug suchte.«
    Er lachte wieder auf. Wir gingen zum Auto und machten uns auf den Heimweg. In der nächsten Ortschaft hielt ich an einer Dorfgaststätte an. Als wir Kaffee bestellten, sagte der Wirt, er schenke Bier und Schnaps aus und für Kraftfahrer habe er Brause im Angebot, dann ließ er sich überreden, uns einen Kaffee aufzubrühen. Als er uns endlich zwei Tassen und eine Kaffeekanne brachte, bestellte sich Bernhard einen Korn dazu, was den Unmut des Wirtes besänftigte.
    Ich erzählte Bernhard, was ich in den letzten Jahren gemacht hatte, wie ich zwei Jahre lang meinen Adler aufgebaut hatte und wo ich mich überall herumgetrieben hatte, Gitti und Wilhelm erwähnte ich mit keiner Silbe. Als ich ihn

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