Landnahme
Chefarzt in einer Klinik und war mit seiner Frau für eine Woche zu einem Kongress gefahren, so dass Sebastians Freund das ganze Haus zur Verfügung stand, um seine Party zu feiern.Meine Anwesenheit störte ihn tatsächlich nicht, er nickte lediglich, als Sebastian mich ihm vorstellte, und fragte, ob wir ein paar Fläschchen mitgebracht hätten. Ich hatte zwei Flaschen Wein und eine Flasche Korn gekauft und gab sie ihm. Er nahm sie wortlos entgegen, verschwand damit und kümmerte sich nicht weiter um uns.
Die Zimmer gefielen mir. Sie waren mit alten Möbeln eingerichtet, die sicher ein Vermögen wert waren. Im Wohnzimmer stand ein riesiger Tisch mit Ledersesseln, die mit Tüchern abgedeckt waren, damit sie nicht verschmutzten. An einer Wand stand ein Buffet, das fünf Meter lang war, und ich fragte mich, wie man dieses Monstrum in die Wohnung hatte tragen können. Das Arbeitszimmer von dem Arzt war abgeschlossen, aber das war der einzige Raum, den wir nicht betreten durften. In allen Räumen saßen und standen Freunde und Bekannte von Sebastian, die er begrüßte. In der Küche standen zwei Mädchen am Herd und versuchten, eine Suppe zu kochen, was sie offensichtlich noch nie in ihrem Leben gemacht hatten. Ich stellte mich zu ihnen und gab ihnen Ratschläge. Eins der Mädchen fragte mich, ob ich Koch sei, drückte mir, ohne meine Antwort abzuwarten, ein Messer in die Hand und sagte, dann solle ich die Suppe kochen, wenn ich alles besser wüsste. Sie zog das andere Mädchen mit sich aus der Küche. Ich kostete die Brühe, die auf dem Gasherd kochte, schaute mir dann an, was für Zutaten herumlagen und was im Kühlschrank war und machte mich daran, eine richtige Suppe zu kochen. Ab und zu kam einer der Gäste in die Küche, schnitt sich eine Scheibe Brot ab und Käse und verschwand damit wieder. Eine halbe Stunde später ging ich zu Klaus und sagte ihm, die Suppe für seine Gäste sei jetzt fertig. Das interessierte ihn nicht, er hatte mit dem Tonbandgerät zu tun, das er zu laut aufgedreht hatte, so dass die Basstöne klirrten. Ich lief durch die Wohnung auf der Suche nach Sebastian. In zwei Zimmern waren Matratzen auf die Erde gelegt und einige Pärchenlagen da bei abgedunkeltem Licht und fummelten an sich herum. Da ich Sebastian nicht fand, holte ich mir einen Teller Suppe und setzte mich an den Tisch im Wohnzimmer. Nach und nach kamen andere Gäste mit Suppentellern an den Tisch. Als eins der Mädchen erzählte, dass ich die Suppe gekocht hätte, lobten mich zwei der Jungen und fragten nach meinem Beruf und wo ich herkomme. Ich erzählte ihnen, was ich bisher gemacht hatte und dass ich auf der Suche nach einer Arbeit bin, aber in Berlin nichts gefunden habe.
»Aus Guldenberg kommst du?«, fragte mich der Rothaarige, der mir gegenübersaß. Er trug eine dicke Goldkette um den Hals, was mir merkwürdig vorkam und was ich noch nie bei einem Mann gesehen hatte.
»Ja. Kennst du das Nest?«
Er schüttelte den Kopf und überlegte.
»Jetzt weiß ich es«, sagte er, »Guldenberg, von dort stammt ein Kumpel von mir. Vielleicht kennst du ihn. Auf dem Dorf kennen sich doch alle.«
»Es ist kein Dorf. Guldenberg ist eine Stadt. Wie heißt dein Bekannter?«
»Den richtigen Namen weiß ich gar nicht. Bei uns heißt er Holzwurm. Sagt dir das was?«
»Bernhard Haber«, sagte ich.
»Kann sein. Ja, ich glaube, du hast Recht. Holzwurm heißt so. Kennst du ihn?«
»Ich bin mit ihm zur Schule gegangen. Er war eine Klasse tiefer. Sein Vater war Tischler, und er hat auch Tischler gelernt, glaube ich jedenfalls.«
»Genau. Das ist er. Darum heißt er ja Holzwurm. Na, das ist ein Zufall, dass ich noch einen aus dem Kaff kennen lerne.«
»Ich habe keinen Kontakt mehr mit ihm. Wohnt er noch dort?«
»Ja. Tischler ist er nicht mehr. Er arbeitet jetzt in meiner Firma.«
»Du hast eine eigene Firma? Was für eine?«
»Ach, dies und das.«
»Was heißt das?«
»Ist eben eine Firma für dies und das.« Er lachte.
»Versteh ich nicht«, sagte ich, »wenn das ein Witz sein soll, sags mir.«
»Ach was. Ist eben eine Firma, die dies und das macht. Dienstleistungen, verstehst du. Leute haben ein Problem, wir hören davon und helfen ihnen, das ist alles.«
»Und Holzwurm ist Tischler bei dir?«
»Nein. Eher so etwas wie Fahrer. Kommt ganz schön herum, dein Schulfreund. Und er verdient eine ganze Stange mehr als ein Tischler. Bei mir verdienen alle gutes Geld.«
»Ich suche gerade eine Arbeit. Ich bin Schlosser, Autoschlosser.
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