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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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gestammelten Satzanfangs vor, doch Maria sah mich nur schief an.
    „Versuch’s noch mal!“, schlug sie vor.
    „Maria“, holte ich aus. „Ich weiß nicht, ob dies der richtige Zeitpunkt dafür ist. Da draußen läuft eine Irre herum. Vielleicht auch mehrere, und sie trachten mir und vielleicht noch vielen anderen nach dem Leben.“
    Doch Maria trat einfach so auf mich zu.
    „Vielleicht“, sagte sie. „Vielleicht sind die schwersten Herzen am Ende auch einfach bloß diejenigen, die am wenigsten mehr einer Verletzung bedürfen?“
    Der Kuss, den sie mir auf die Lippen zauberte, war flüchtig, wie ein lauer Wind in einer Sommernacht, und er war zart, so unsagbar zart, trotz all des Hartgesottenen, das diese Frau nach außen ausstrahlte.
    „Ähm“, räusperte sich Hagen auf der Türschwelle. „Wenn ich euch störe, dann ...“
    „Nein“, wand ich mich unbeholfen. Marias Kuss war nur ein Hauch gewesen und schon längst vorbei, bevor wir überhaupt in Hagens Sichtfeld geraten waren. Doch wie es mit verzauberten Menschen nun mal so war, sah man ihnen an, dass etwas sie ein Stück aus ihrer Wirklichkeit entrückt hatte. Was zwischen Maria und mir war, musste in diesem Moment offensichtlich sein. „Nein, wirklich nicht. Komm rein! Habt ihr im Haus noch irgendwas gefunden?“, setzte ich also hastig hinzu.
    Er schüttelte den Kopf.
    „Kreuze“, sagte er. „Der Herr scheint in dieses Haus tatsächlich Einzug gehalten zu haben. Bloß habe ich mir eine göttliche Präsenz immer anders vorgestellt.“
    Achtlos warf er ein Bündel im Haus eingesammelter Rosenkränze auf den großen Eichenschreibtisch des toten Holzhändlers.
    „Woran ist Herr Conradi eigentlich gestorben?“, fragte er.
    „Irgendein mysteriöser Unfall im Wald“, meinte Maria.
    „Wegen Raubbaus erboste Waldgeister?“, mutmaßte Hagen beinahe belustigt. „Das würde Frau Conradis Hang zum Übernatürlichen erklären.“
    Maria zuckte die Achseln.
    „Man weiß es nicht. Seitdem scheint sie wohl ein wenig entrückt zu sein. Ich hatte nie viel mit ihr zu tun. Aber ich habe mit den meisten Leyenern nicht viel zu tun.“
    „Hm.“
    Hagen sah sich im Arbeitszimmer um.
    „Unter all diesen Büchern sollen wir das finden, was uns des Rätsels Lösung ein Stückchen näher bringt?“
    Der spöttische Unterton war mir nicht entgangen.
    „Sieht so aus“, beharrte ich.
    Hagen trat an die Regale heran und nahm sie genauer in Augenschein. Ehe ich fragen konnte, wonach er suchte, griff er bereits nach einem Buch. Dann nach noch einem und noch einem.
    „Irgendetwas dabei?“, fragte er, während er mit den Wälzern vor meiner Nase herum wedelte.
    „Augenblick mal, halt sie still!“, bat ich und entzifferte die Titel.
    Beim zweiten wurde ich fündig.
    Liber Iuratus stand in geprägten Lettern auf dem Deckel.
    „Wie hast du das so schnell …“
    Weiter kam ich nicht.
    „Staub“, sagte Hagen. „Hier waren die Staubspuren vor den Bänden verwischt. Die Dinger waren erst kürzlich in Gebrauch.“
    Ich staunte. Manchmal hatte Hagen seine hellen Momente, das musste ich ihm lassen. Forsch griff ich nach dem Buch, aber Hagen entzog es meinem Griff.
    „Das bedeutet: keinen Kommentar mehr zu meinen Privatangelegenheiten“, stellte er mit leichtem Spott in der Stimme und einem Blick erst zu Maria, dann zu mir fest.
    „Keinen Kommentar mehr!“, gab ich mich geschlagen.
    Hagen gab mir den dicken Schinken.
    „Zumindest meinerseits.“
    Er schnaubte.
    „Was steht denn nun da drin?“, fragte Marius ungeduldig. Er war auf den Schreibtisch gesprungen, aber auch von dort bei Weitem nicht in der Lage, einen besseren Blick auf das Buch zu werfen.
    Ich rückte den Schreibtischsessel ab, legte das große Buch vor mir auf den Tisch und begann, zielstrebig zu blättern.
    „Einen kurzen Augenblick“, bat ich.
    Obwohl Salandar in puncto bibliophilem Wissen erheblich bewanderter war als ich, hatte ich mir im Laufe meiner Karriere doch einen kleinen Wissensstand angeeignet, zumindest, was einige Standardwerke betraf. Außerdem hatte Salandar genug unseres gemeinsamen Geldes für beschriebenes Papier verschleudert, als dass mich nicht meinerseits auch ab und an Interesse für das Geschriebene zum Lesen angetrieben hätte.
    „Ha“, triumphierte ich. „Danach haben wir gesucht.“
    3.
    „Das Schwurbuch des Honorius“, erläuterte ich, „ist eines der unter der Hand bekanntesten und mächtigsten Grimoires der Welt.“
    „Nie gehört“, bemerkte Hagen, und Maria

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